Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
Vom Netzwerk:
sagte jedoch nichts, während sein Opponent laut »Amen« antwortete.
    Gegenspieler des Rabbiners war ein sogenannter Neuchrist, der getaufte Jude Gaspar Santa María. Er behauptete, zu den wenigen Eingeweihten zu gehören, die wussten, warum die Juden an ihrem alten Glauben festhielten, und er hatte dem Papst feierlich versprochen, mindestens zehntausend seiner früheren Glaubensbrüder zur rechten Lehre zu bekehren, indem er ihnen zeigte, dass die christliche Welt voller Wunder sei, während ihr El, den sie halsstarrig den Einzigen nannten, ein Tyrann sei, ein rachsüchtiger und boshafter alter Mann.
    Schon nach dem einleitenden Wortwechsel war den Zuhörern klar, dass Santa María nicht mithalten konnte, sowohl was sein Wissen als auch was seine Redekunst betraf. Der Rabbiner überstrahlte ihn in allem Wesentlichen und bewies mit jedem Redebeitrag seine Klugheit und Weisheit.
    Als Santa María, unter Druck und immer unsicherer, bei seinen Schlussfolgerungen den Faden verlor und zu stammeln begann, erklärte der Rabbi, seiner Meinung nach seien solche Gespräche ausgesprochen fruchtbare und natürliche intellektuelle Übungen, bei denen er immer etwas Neues lerne. Sie schärften das Denkvermögen, denn die Rivalität zwischen unterschiedlichen Meinungen bringe ihn dazu, sich in zuvor ungeahnte Höhen zu erheben. Deshalb sei es wichtig, andere Meinungen anzuerkennen, sie mit offenen Armen aufzunehmen statt mit ausgefahrenen Krallen.
    Santa María fühlte sich getroffen und antwortete, die Juden seien nicht so scharfsinnig, wie es der Rabbiner behaupte, sondern falsch und verschlagen, was daher rühre, dass sie mit schwarzer Galle geboren seien, wofür er gut abgesicherte Beweise habe. Diese Aussage erntete tosenden Applaus und weckte den Jubel der Volksmassen.
    Der Rabbiner blieb die Antwort nicht schuldig. Er lobte seinen Opponenten für dessen Offenherzigkeit und Mut, vor allem, weil er seine Gefühle nicht unterdrücke. Daraufhin betonte er, dass keine Behauptung ihn schockiere, keine Meinung ihn verletze, dass es keinen Gedanken gebe, der zu kopflos oder unsinnig sei, als dass er ihn sich nicht anhören würde, solange beiden Parteien in einer Diskussion die Wahrheit ein gemeinsames Anliegen sei.
    Jetzt klatschten nur einige wenige. Einer von ihnen war Salman.
    Santa María ging zum Angriff über, indem er behauptete, alle Juden seien böse und trügen eine kollektive Schuld an Jesu Kreuzigung, nachdem der Sanhedrin (der große jüdische Rat in der Römerzeit) Gottes Sohn angeklagt und ihn zum Tode verurteilt hätte, und deshalb sollten sie – und hier stieg seine Stimme fast ins Falsett – in der ewigen Hölle enden, in der ihre Körper über kleinem Feuer gebraten würden wie das Lamm am Spieß.
    Der Rabbiner wandte ein, er huldige der Wahrheit und heiße sie willkommen, egal in welchen Händen er sie vorfinde, und er kapituliere mit Freuden vor ihr und lege die Waffen nieder, wenn er sie nahen sehe. Doch das eben Gehörte, so fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, sei eine Wahrheit, die keiner unvoreingenommenen Hinterfragung standhalte. Denn erstens trage nicht das jüdische Volk Schuld an Jesu Tod, sondern nur eine kleine Gruppe innerhalb des religiösen und politischen Establishments. Zu Jesu Lebzeiten lebten nur zehn Prozent des jüdischen Volkes im Land Israel, und niemand könne wohl friedliche Juden in anderen Ländern und ihre Nachfahren viele Jahrhunderte später für den Beschluss des Sanhedrins verantwortlich machen. Zweifelhafte Gerichtsverfahren und Justizmorde habe es zu allen Zeiten gegeben, unterstrich der Rabbiner, und es würde nicht mehr viele Menschen auf Erden geben, wenn man ganze Völker für jedes schändliche Urteil verantwortlich machen wollte, das im Laufe der Geschichte gefällt worden sei, und Menschen aufgrund juristischer Fehler verfolgt und ermordet hätte, so wie die Christen es mit den Juden getan hätten.
    Dann wies der Rabbiner darauf hin, dass ihm im Gegensatz zu seinem Vorredner Erfahrung aus der Hölle fehle, sodass er sich nicht mit Sicherheit über deren Existenz äußern könne. Hingegen wisse er, dass Priester dieses Bild eines dunklen, schrecklichen Ortes, das die Menschen zunächst komisch, ja als Unmöglichkeit empfanden, so überzeugend geschildert hätten, mit solcher Inbrunst, dass viele begonnen hätten, daran zu glauben.
    »Wenn eine Lüge oft genug wiederholt wird, nehmen die Menschen sie als Wahrheit an, denn Menschen brauchen einen Glauben«, sagte der

Weitere Kostenlose Bücher