Das Elixier der Unsterblichkeit
Rabbiner.
Er machte eine kurze Pause und sammelte sich, bevor er fortfuhr: »Seit der Zeit Jesu und bis in unsere Tage war die Welt immer voller Gewalt, Plünderungen und Lügen, und die Christen haben größeres Blutvergießen angerichtet als Menschen anderen Glaubens. Auch was ihre Moral betrifft, waren sie nicht gerade ein strahlendes Licht unter den Völkern. Wenn nun also mein verehrter Opponent uns Juden mit der ewigen Hölle droht, muss er von einem Ort sprechen, der hauptsächlich von Christen bevölkert ist.«
Es wurde völlig still auf dem Marktplatz, als wären Tibbons Worte in eine lautlose Welt hinabgefallen. Santa María lief der Schweiß herunter, und er zupfte sich nervös den Bart, deutlich erschüttert von des Rabbiners überzeugender Argumentation. Je länger die peinliche Stille währte, desto mehr Gesichter in der Menschenmenge verzerrten sich. Die Unzufriedenheit wuchs wortlos und wollte sich gerade als heftige Wut entladen, als Domherr Cruz de Medina sich auf dem Podium erhob und in die Hände klatschte, um die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zu lenken. Er hatte sofort begriffen, dass der Repräsentant der Kirche nicht in der Lage war, sich zu verteidigen. Um eine Niederlage zu vermeiden, brach er den Disput ab, indem er darauf hinwies, dass die Sonne im Zenit stehe und die Hitze unerträglich sei. Er erhob die Hände zum Himmel und forderte alle dazu auf, an einem gemeinsamen Gebet teilzunehmen. Mit geschlossenen Augen, den Kopf leicht zur Seite geneigt, schien er einer Stimme aus der Ferne zu lauschen.
Die theologische Diskussion sollte drei Tage später wieder aufgenommen werden.
DIE UNTAT VON CÓRDOBA
Zum ersten Mal in seinem Leben sah Salman feindselige Gesichter aus der Nähe und spürte einen erschreckenden Hass auf sich gerichtet. Ihn erfasste Angst vor den Menschen auf dem Marktplatz und er wollte fliehen, wurde jedoch von einem großgewachsenen Mann in schmutzigen Lumpen gehindert, der sich ihm in den Weg stellte. Alles an diesem Mann war massig – Kopf, Schultern, Arme, Hände, Füße. Neben diesem ungepflegten Riesen nahm sich Salman kläglich und hilflos aus. Der Mann packte ihn, hob ihn hoch und flüsterte ihm mit eiskalter Stimme ins Ohr: »Heute Nacht komme ich, um dich zu töten.«
Am Nachmittag trafen sich Tibbons Freunde in seinem Haus. Der Rabbiner las ein Dankesgebet und verbeugte sich vor dem Allmächtigen, der ihm die Kraft gegeben hatte, den ersten Teil des theologischen Disputs zu führen, ohne ein Opfer von Hochmut und Eitelkeit zu werden. Dann bat er den Schöpfer der Welt und des Menschengeschlechts, die Tage der Juden in Córdoba nicht in unsichere Nächte zu verwandeln. Darauf folgte eine lebhafte Diskussion über die Konsequenzen, die der unbestreitbare Sieg des Rabbiners nach sich ziehen konnte.
Die Freunde im Raum waren sich einig. Es bestand eine gewisse Gefahr – einige meinten sogar, sie sei bedrohlich –, dass eine aufgebrachte Menschenmenge im Schutz der Dunkelheit zum Angriff gegen die Juden schreiten würde. Sie rieten Tibbon, sich in seinem Haus zu verbarrikadieren.
Doch der Rabbiner wollte davon nichts wissen und meinte, es gebühre dem Verständigen, sich vor Projektionen der Phantasie und der Furcht zu hüten. Keine eingebildeten Gefahren könnten ihn seines Nachtschlafs berauben, betonte er. Stattdessen bat er einen seiner Freunde, den Silberschmied Luis Abudalfia, Salman für die nächsten Tage bei sich aufzunehmen, da er selbst nicht sicherstellen könne, dass der Junge die Kost bekäme, die die Bedürfnisse eines jungen Mannes befriedigte.
Kaum hatte sich die Dunkelheit über das Judenviertel gesenkt, da zogen einige Dutzend maskierte Männer mit Stöcken, Hacken und Spaten in den Händen zum Angriff auf die Juden durch die engen Gassen. Alle, die ihnen in den Weg kamen, unschuldige Frauen und Männer, wurden gnadenlos niedergemacht.
Hinter den Kulissen wurde die Bande von Pater Dominic Martínez gesteuert, einem katholischen Priester aus Madrid, der sich nach vielen Jahren des Klosterdaseins nicht nur gründliche Kenntnisse der katholischen Lehre angeeignet hatte, sondern auch von einem besinnungslosen Hass gegen Juden und andere Ungläubige erfüllt war, die nicht das Vaterunser, das Ave-Maria oder das Glaubensbekenntnis herunterleiern konnten. Eines Abends hatte die Mutter Jesu sein inniges Gebet erhört und war ihm im Strahlenglanz in seiner Klosterzelle erschienen. Sie erklärte, der Teufel habe die Gestalt einiger jüdischer
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