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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Gabriel Abudalfias jüngste Tochter Ester: Es war keine Liebesheirat, sondern eine arrangierte Ehe. Esters Geschwister waren verheiratet und hatten Familie. Sie sehnte sich danach, ein Brautkleid zu tragen und glücklich zu werden. Eines Morgens bat sie ihren Vater um seinen Beistand. Schon am selben Nachmittag rief Abudalfia Salman zu sich und meinte, es sei vielleicht an der Zeit zu heiraten, und was könne besser passen, als ein Mädchen zu ehelichen, dem man viele Jahre lang jeden Tag begegnet war – so etwas stärke den Zusammenhalt und die Freundschaft. Zugleich betonte er, dass Salman ihm nichts schuldig sei und nicht das Gefühl haben solle, ihm einen Dankbarkeitsdienst erweisen zu müssen, weil er bei seiner Familie habe wohnen dürfen. Sollte er sich jedoch entscheiden, sein Schwiegersohn zu werden, könne er als Partner in das blühende Geschäft des Kaufmanns eintreten.
    Das Hochzeitsfest war das größte seit vielen Jahren in La Judería, dem jüdischen Viertel. Hätte die Braut nicht nach dem Festmahl einen tragischen Unfall erlitten, wäre allen die Feier in guter Erinnerung geblieben.
    Als Ester sich vorbeugte, um mit einem Gast auf der anderen Seite des Tisches zu sprechen, fing ihr aufgestecktes Haar Feuer an einer flackernden Kerze und verwandelte sich in eine Fackel. Viele dachte zunächst, es sei ein Scherz, geplant und genauestens einstudiert, und frohes Gelächter ertönte am Tisch. Doch die herzzerreißenden Schreie der Braut ließen schnell den Ernst der Lage erkennen. Es dauerte mehrere Minuten, den Brand zu löschen, und Ester zog sich schwere Brandwunden im Gesicht zu. Die Hochzeitsnacht wurde nicht so gefeiert, wie Salman es sich vorgestellt hatte, und er musste mehr als ein halbes Jahr warten, bis Ester und er sich wie Mann und Frau im fleischlichen Akt vereinigen konnten.
    Das Paar bekam fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter. Salman arbeitete bei seinem Schwiegervater und unternahm zahlreiche Reisen. Die Probleme des Alltags ließen ihm kaum die Möglichkeit, an andere Dinge zu denken. Das geheime Rezept in der wohlduftenden kleinen Holzkiste geriet beinahe in Vergessenheit.
    Das einzige, was ihn an das Elixier der Unsterblichkeit erinnerte, war die Tatsache, dass er weder physischen Schmerz spürte noch die kleinsten Anzeichen des Älterwerdens aufwies. Bei Ester zeigte die Zeit deutlich ihre Fähigkeit, ein Gesicht durch immer tiefere Furchen umzugestalten, während Salman weiterhin aussah wie an dem Tag, als er ihr unter dem Hochzeitsbaldachin ewige Treue geschworen hatte.
ZWEI CHRISTLICHE MÄNNER
    Im Jahre 1391 fiel das Pessachfest mit der Osterwoche zusammen. Der traditionelle Sederabend der Juden – zum Gedenken an den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten – wurde am christlichen Karfreitag gefeiert. Im einem Teil von Sevilla versammelten sich die Menschen zu einer festlichen Zeremonie mit brennenden Kerzen, gedeckten Tischen, ausgesuchten Speisen und Bechern voller Wein. Im anderen Teil herrschte Stille, und die Menschen übten sich in Gebeten und Gedenken und litten mit Christus am Kreuz.
    Im Schutz der Dunkelheit schlich ein Adelsmann – er wurde in historischen Quellen Diego de López Alba genannt und als unverbesserlicher Hurenbock beschrieben – nach La Judería hinein, um sich der Fleischeslust hinzugeben, denn an diesem Abend hatte er im christlichen Teil der Stadt keine Frau finden können, die ihm ihre Liebe verkaufte.
    Dass er das Judenviertel aufsuchte, war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er drei Tage zuvor, beim Glockenturm Giralda an der Kathedrale Santa María, eine breithüftige Jüdin gesehen hatte, mit schönem Dekolleté und Engelsantlitz, langem, offenem Haar und Augen, die die Farbe reifer Kastanien hatten. Die schöne Frau hatte ihn im Vorübergehen eine Sekunde lang angesehen, was er als deutliche Einladung interpretierte. Verhext vom Körper der Frau, folgte er ihr in der Hoffnung, sie werde ihm den Weg zu dem Ort zeigen, an dem sie ihr Geschäft betrieb. Die Jüdin wanderte durch eine schmale Straße, die im Halbkreis ins Judenviertel hineinführte und sich dann bei einigen Häusern mit vergitterten Fenstern verbreiterte, um schließlich auf einen Platz mit Buden, Geschäften und Werkstätten zu münden. Hier wimmelte es von Frauen mit schwarzen Kopftüchern, die an den Marktständen um Apfelsinen, Trauben, Melonen, Datteln, Oliven und Bohnen feilschten. López Alba fürchtete, die Schöne im Gewimmel aus den Augen zu verlieren. Doch

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