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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Studios den Hintergrund bilden und einige von unserem Personal als Darsteller auftreten. Gleichzeitig bringt es einen kolossalen Effekt: menschliches Drama. Sowas hat immer Publikumsappeal. Aber nicht nur das – Nunion selbst ist das Panorama, vor dem alles abläuft; Nunion, die größte planetarische Hauptstadt im galaktischen System.«
    Rhapsodie machte eine Pause, um die Wirkung zu steigern. Mehrere seiner Zuhörer zündeten sich Zigaretten an. Alle waren still.
    »Ich sehe, daß Sie sich fragen«, fuhr Rhapsodie fort. Er lancierte ein gewinnendes Lächeln, »wie ich soviel Fleisch in eine Zweistundensendung packen will. Ich werde es Ihnen zeigen.«
    Er hob die Hand mit ausholender Geste und signalisierte seinem Vorführer. Die Projektionswand belebte sich mit einem Bild.
    Es war das Gesicht eines Mannes. Eines Mannes Ende vierzig. Die Jahre hatten das Fleisch weggenommen und die noble Form der Schädelknochen unter der feinen Haut noch betont: die hohe Stirn, die schmalen Backenknochen, das feste Kinn. Er redete, aber der Ton war abgeschaltet und ließ die Bewegung der Gesichtszüge für sich selbst sprechen. Das Antlitz ließ Rhapsodie 182 zwergenhaft klein erscheinen.
    »Dies, meine Damen und Herren«, sagte Rhapsodie, die geballten Fäuste vor sich haltend, »ist das Gesicht von Ars Staykr.«
    Die Anwesenden setzten sich auf, sahen einander an und versuchten das Meinungsklima zu erfühlen. Rhapsodie hatte Staykr absichtlich bei seinem richtigen Namen genannt, statt den gesellschaftlichen Namen zu verwenden. In großen Konzernen wie Supernova war es üblich, Wohndistrikt und Hausnummer der Leute als Namen zu gebrauchen. Dies diente nicht nur dem Zweck, eine geschlossene Front zu präsentieren und Außenstehende zu verwirren; es half auch den Eingeweihten, einander finanziell und gesellschaftlich einzustufen, denn in Nunion war der Distrikt die gesellschaftliche Visitenkarte, ein Rangabzeichen, das über Ansehen und Gewicht einer Person entschied. Wer in Cello wohnte, war für jeden Kredit gut, während in Pelt und Aguen der menschliche Bodensatz, die Hoffnungslosen und Geschlagenen lebten.
    Ars Staykr war ein Individualist gewesen. Irgendwie hatte sein gesellschaftlicher Name Bastion 44 nie auf ihn gepaßt, und das deutete Rhapsodie jetzt an.
    »Das Gesicht eines großen Mannes. Ars Staykr! Ein Genius, nur einem kleinen Kreis von Menschen bekannt. Menschen, die hier in diesem Studio versammelt sind, wo er gearbeitet hat. Aber wer ihn kannte, bewunderte und liebte ihn. Ich hatte die Ehre, seine rechte Hand zu sein, damals, in den Tagen, als er Chef der Dokumentarabteilung zwei war. Ich habe vor, diese Sendung zu seiner Biographie zu machen – zu einem Tribut an Ars Staykr, Bastion 44.«
    Er machte eine Pause. Wenn er dieses Ding an Big Cello & Co. verkaufen konnte, war er gemacht, denn ein Erfolg würde nicht nur Ars Staykr der Vergessenheit entreißen, sondern auch Harsch-Benlin in die vorderste Reihe bringen, bis dieser vormalige Rhapsodie in Cellos angenehmer Exklusivität landete.
    »Staykr endete in der Gosse!« rief jemand. Es war Sterfeld 1337, ein Unruhestifter und Intrigant.
    »Ich bin froh, daß jemand diesen Punkt aufgreift«, sagte Rhapsodie. Durch das Weglassen seines Namens war Sterfeld elegant in seine Schranken gewiesen; Rhapsodie war mit sich zufrieden. »Staykr endete in der Gosse. Er schaffte es nicht. Diese Dokumentarsendung wird zeigen, warum. Sie wird zeigen, wieviel Mumm einer haben muß, nur um in Nunion bei klarem Verstand zu bleiben – denn, wie ich sagte, es wird nicht bloß eine Dokumentation über Staykr werden, sondern über die Supernova, und über Nunion, und über das Leben. Kurz und gut, wir bringen da alles hinein.«
    Das freundliche Gesicht wurde ausgeblendet. Rhapsodie stand wieder allein auf der Bühne. Obwohl er dünn bis zur Magerkeit war, konsumierte Rhapsodie ständig Schlankheitstabletten, weil er sich davon die Erhaltung jugendlicher Elastizität versprach.
    »Und die Schönheit dieser Dokumentation ist«, fuhr er mit dramatisch erhobener Stimme fort, »das Schöne daran ist, daß sie schon zur Hälfte fertig ist! Geschrieben, bearbeitet, aufgenommen.«
    Der leere Raum hinter ihm füllte sich mit Bildern. Etwas Zerbrechliches und Feines wie die Vergrößerung einer Schneeflocke schien den Zuschauern entgegenzutreiben. Sie vergrößerte sich, entwickelte neue Kristalle, Verästelungen, die miteinander verwuchsen. Dank geschickter Kameraarbeit sah es wie organisches

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