Das Ende - Alten, S: Ende
zusammenzuführen.
Shep ist labil. Seine Erinnerung ist bruchstückhaft, seine Verletzung greift nach wie vor sein Gehirn an. Wir kümmern uns die ganze Zeit um diese Dinge. Sie können GIs nicht drei- und viermal immer wieder neu einsetzen, ohne dabei ihre Familien auseinanderzureißen. Ehefrauen ziehen um, manchmal, weil sie jemand anderen finden, manchmal aus Angst. Das Militär bereitet seine zurückkehrenden Veteranen nicht mehr richtig auf das normale Leben vor, sie wechseln innerhalb einer Woche vom Gefecht ins Zivilleben. Einige dieser Burschen sind wandelnde Zeitbomben, in Gedanken immer noch tief im Krieg. Sie können ihre Häuser nicht betreten, ohne die Räumlichkeiten zu durchsuchen, und sie bewahren Waffen neben dem Bett auf. Ich habe viel zu viele Fälle von zurückkehrenden Soldaten erlebt, die mitten in einem Albtraum auf ihre Angehörigen einstachen oder sie erschossen. Das würde sich auf dem neuen Rekrutierungsplakat wohl nicht allzu gut machen.«
»Ich habe Sie nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung über Kriegsführung gebeten, Doktor. Geben Sie mir jetzt die Adresse der Ehefrau.«
Sie zögerte.
»Bei der anhaltenden Wirtschaftskrise muss es schön sein, einen gut bezahlten Job im öffentlichen Dienst zu haben. Natürlich könnten wir für das, was man Ihnen zahlt, vermutlich auch zwei Assistenzärzte einstellen.«
Leighs Rücken versteifte sich. »Ist das eine Drohung, Mr. DeBorn?«
»Miss Ernstmeyer, setzen Sie sich mit dem Pentagon in Verbindung. Jemand dort soll die Familie des Sergeant ausfindig machen.«
»Augenblick. Bitte … einen Augenblick.« Leigh griff in die Tasche ihres Laborkittels, holte den E-Mail-Ausdruck
heraus und reichte ihn widerwillig dem Verteidigungsminister.
DeBorn blinzelte, während er laut las. »Beatrice Shepherd. Battery Park, Manhattan.«
»Sie ist ganz in der Nähe«, bemerkte Sheridan. »Wirkt zu zufällig. Vielleicht ist sie hier, weil er hier ist.«
»Finden Sie’s raus.«
»Langsam, machen Sie mal einen Moment halblang«, sagte Leigh, die nun zornig erregt war. »Shepherd ist mein Patient. Wenn hier irgendjemand seine Frau kontaktiert, dann sollte ich das sein.«
»Sie stehen ihm zu nahe. Ehefrauen, die sich vom Militär schlecht behandelt fühlen, erfordern eine geschickte Hand. Shepherds Frau scheint eine dieser sentimentalen Friedensaktivistinnen zu sein. Ist sie das?«
»Keine Ahnung.«
»Frauen, die moralische Grundsätze über die Familie stellen, sind die schlimmste Sorte Heuchlerinnen. Nehmen Sie diese Cindy Sheehan. Sie verliert ihren Sohn, verbringt die nächsten drei Jahre damit, gegen die Streitkräfte zu protestieren, in die er unter Einsatz seines Lebens eintrat, dann verlässt sie am Ende ihre Familie, um eine politische Karriere einzuschlagen. Ich vermute, diese Beatrice Shepherd ist aus dem gleichen Holz geschnitzt. Miss Ernstmeyer weiß, wie man mit solchen Leuten umgeht.«
»Schön. Dann gehen Sie damit um. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe andere Patienten, um die ich mich kümmern muss.«
»Eine Minute noch. Ich möchte, dass Sie dem Sergeant eine Armprothese anpassen.«
»Ihm wurde vor drei Monaten eine angepasst. Uns wurde gesagt, es gebe einen vier- bis sechsmonatigen Rückstand.«
»Colonel?«
»Heute Nachmittag wird er eine haben.«
Leigh Nelson hatte das Gefühl zu ertrinken. »Bei allem Respekt, aber Shep seine Prothese zu verpassen und ihn zu zwingen, seiner Frau gegenüberzutreten, wird seine psychischen Probleme nicht mal annähernd lösen.«
»Überlassen Sie seine Familie uns, Doktor. Organisieren Sie die psychologische Hilfe.«
Leigh ballte die Fäuste, ihr Blutdruck schnellte in die Höhe. »Und wo soll ich einen Psychiater auftreiben? Ihn mir aus den Rippen schneiden? Ich habe 263 Kriegsveteranen, die dringend psychiatrisch betreut werden müssen und von denen ein Drittel wegen Suizidgefahr unter Beobachtung steht. Wir teilen uns mit drei Veteranenkrankenhäusern zwei klinische Psychologen und …«
»Ist erledigt«, unterbrach Pater Argenti. »Spätestens heute Nachmittag wird Patrick Shepherd mit dem besten Seelenklempner sprechen, den man mit Steuergeldern kaufen kann.«
DeBorn runzelte die Stirn. »Irgendwelche anderen Schwierigkeiten, Dr. Nelson?«
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und gab sich geschlagen. »Wenn Sie Ihren eigenen Spezialisten anheuern wollen – ich habe nichts dagegen, behalten Sie’s nur für sich. Ich will nicht, dass die anderen Männer auf
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