Das Ende der Geduld
Schaffung von immer neuen Steuerungsinstrumenten, die Neueinführung der Sozialraumorientierung und der damit erwarteten neu auf uns zukömmenden Netzwerkarbeit in der Region, das Einrichten immer neuer Stellen aus dem Gesamtpool, die von der Fallarbeit befreit sind [gemeint sind diejenigen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die woanders abgebaut werden und nun irgendwie und irgendwo anders verwendet werden müssen], sowie der ausufernde Zuwachs hilfebegleitenden Verwaltungsaufwandes." Es ist daraufhin nichts Spürbares veranlasst worden, wie auch die anfangs zitierten Zahlen zeigen.
Der Bezirk selbst ist aufgrund der dargestellten Haushaltsvorgaben nicht in der Lage, Verbesserungen herbeizuführen. Mir ist deshalb völlig unklar, wie man den Stadtteil in dieser Situation hängen lassen kann. Die Lasten müssen anders verteilt werden. Der Berliner Senat ist in der Pflicht, hier unterstützend einzugreifen und Umschichtungen vorzunehmen. Hierzu muss man Folgendes wissen: Wenn die gefährdeten Kinder strafmündig werden und entsprechende Taten begehen, wird die Strafjustiz zuständig, und im Falle der Inhaftierung ist der Etat der Justizsenatorin betroffen, während es sich im Falle der richterlichen Anordnung von Weisungen und anderen Maßnahmen umgekehrt verhält. Diese werden zwar von der Justiz verhängt, ihre Umsetzung muss aber vom jeweiligen Bezirk finanziert werden. Das halte ich alles für insgesamt wenig durchdacht. Schließlich ist immer dasselbe Problemfeld betroffen: Es muss in der Kindheit und Jugend der Menschen erst unterstützend und dann regulierend eingegriffen werden. Ließe sich das nicht kollektiv eher bewerkstelligen, als zunächst auf den Bezirksetat und dann wieder auf das Justizressort zu schielen? Besser wäre es, einen Gesamtberliner „Topf" einzurichten, aus dem die insgesamt notwendigen Maßnahmen für Familienhilfen und die jugendrichterlichen Maßnahmen zu finanzieren wären. Diese Lasten träfen dann auch die gesamte Stadt, was mir nur angemessen erscheint. Aber wahrscheinlich ist diese Denkweise naiv.
Die Jugendamtsmitarbeiter sind jedenfalls schon lange nicht mehr in der Lage, sämtliche Hilfen persönlich durchzuführen. Also nehmen sie die sogenannten „freien Träger" der Jugendhilfe oder ein Projekt in Anspruch. Hier tauchen immer wieder neue Angebote auf, die zunächst einmal mit Hochglanzprospekten und wortgewaltigen Strategiepapieren auf sich aufmerksam machen. Sie wollen Fälle zugewiesen bekommen und aus Mitteln des Senats finanziert werden. Es mag an meinem Alter liegen, aber je glänzender der Prospekt und je umfangreicher die Konzepte und Versprechungen sind, desto weniger vertraue ich ihnen. Das Geld für den Prospekt hätte man ja bereits sinnvoller verwenden können. Auch die in einigen Fällen sehr hochwertigen Dienstwagen der Projektmitarbeiter, mit denen u.a. die zu betreuenden Straftäter zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten kutschiert werden, stimmen mich misstrauisch. Das erniedrigte Opfer fährt mit dem Bus, der Täter im Geländewagen?
Wenn der Jugendamtsmitarbeiter die eigentlich ihm obliegende Aufgabe der Betreuung einem Dritten überträgt, müsste meiner Ansicht nach dessen Arbeitsweise im konkreten Einzelfall oder zumindest stichprobenweise überprüft werden. Hieran mangelt es entscheidend. Eine Überwachung der freien Träger und Projekte ist aber unerlässlich, denn hier wird unter anderem viel Geld verdient, das aus Steuermitteln stammt und sich naturgemäß im mehrstelligen Millionenbereich bewegt. Also will jedes Projekt erfolgreich sein und meldet deshalb häufig, dass die betreute Familie plötzlich durchaus kooperationsbereit sei und der zuständige Mitarbeiter „einen Zugang zu den Eltern und Kindern gefunden" habe. Der Sachbearbeiter beim Jugendamt kann dann unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Angaben in seiner Akte vermerken, die Hilfemaßnahme verlaufe erfolgreich. Ich greife an dieser Stelle weder die langjährig etablierten freien Träger der Jugendhilfe noch den einzelnen Sachbearbeiter des Jugendamtes an. Aber es ist hier, wie in anderen Bereichen, ein unübersichtlicher Markt entstanden, der auf der politischen Ebene zu entwirren ist. Meine eigenen Nachforschungen haben jedenfalls zu teilweise befremdlichen Ergebnissen geführt. Im Rahmen der „Betreuung" eines jugendlichen „arabischen" Clan-Mitgliedes durch ein „Projekt" habe ich über mehrere Wochen parallel den zuständigen Mitarbeiter und die Erzieher des
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