Das Ende der Geschichten (German Edition)
Bob hatte bei Joni Austern als Vorspeise geholt und als Dessert eine Zitronentarte aus dem Laden mitgebracht. Er legte Britpop aus den Neunzigern auf, und wir sangen alle mit und tanzten durch die Küche. Die beiden schafften mich völlig: Jedes Mal, wenn ein Song zweistimmig wurde, übernahm automatisch jeder von ihnen eine Stimme, und sie sangen im Duett. Wir wechselten zum Soundtrack eines Blockbusters aus den Achtzigern, der unglaublich viele Möglichkeiten zum zweistimmigen Singen bot, leerten den Sauvignon und machten eine neue Flasche auf. B. hatte ihren Kauknochen endlich kleingekriegt und zog sich nach oben zurück, um ihren Rausch auszuschlafen. Als Bobs Eltern eintrafen, war alles vorbereitet, und wir lagen fix und fertig und leicht angeschickert auf dem Sofa und hörten die Platte einer neuen Jazz-Band, die Bob besonders liebte. Libby und er unterhielten sich ausführlich über diese Band. Ob sie gewusst habe, dass sie für den Mercury nominiert gewesen seien? Ja, hatte sie, aber sie habe ja keine Ahnung gehabt, dass er die Platte hatte, und hätte sie neulich fast selber gekauft. Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, was genau an ihrer Beziehung eigentlich nicht stimmte. Es waren ja nicht nur das Singen im Duett und die ungezwungene Art, wie sie miteinander redeten. Mir fiel zudem auf, dass sie sich gegenseitig immer Wein nachschenkten und dass Libby, als sie eines von Bobs Büchern vom Couchtisch räumte, sorgfältig das Lesezeichen hineinlegte, um die Stelle zu markieren, an der er aufgehört hatte. Ob Christopher und ich auch so auf unsere Umwelt wirkten? Vermutlich nicht. Er hatte mir noch nie im Leben Wein nachgeschenkt.
Bobs Vater Conrad kam aus Deutschland und sprach immer noch mit leichtem Akzent, den ich von irgendwoher zu kennen glaubte. Allerdings wollte mir nicht einfallen, an wen mich diese Art zu sprechen erinnerte. Sascha, seine Frau, war früher Model gewesen. Inzwischen engagierte sie sich für lokale Kunstprojekte und fertigte Skulpturen aus Treibholz an. Manchmal begegnete ich ihr am Strand von Blackpool Sands, wenn ich dort morgens B. ausführte. Sascha hatte wildes, rotgefärbtes Haar und eine tiefe, selbstbewusste Stimme, die mich an Vi erinnerte. Sie und Conrad waren beide weit über sechzig, sahen aber sehr viel jünger aus. Bob erzählte ein paar Anekdoten von der Reise nach Deutschland, die er kürzlich gemacht hatte, und versorgte seine Eltern mit Neuigkeiten über Großtante und Großonkel. Als er gerade von der Rückreise erzählte, bei der sein Flug nach Exeter umgeleitet worden war, klingelte es. Sofort sprang Libby auf, um zu öffnen. Mark kam herein. Er trug ungebügelte Jeans, ein offensichtlich neues Hemd und schwarze Schuhe mit auffälligen Matschspuren. Nachdem er sich in größtmöglicher Entfernung von Libby auf das Sofa gesetzt hatte, stellte er zunächst Sascha ein paar höfliche Fragen – was sie beruflich mache und wo sie aufgewachsen sei. Anschließend erzählte er uns, seine Eltern lebten immer noch auf einer schottischen Insel in einer Hippie-Kommune, der sie sich beide mit Mitte fünfzig angeschlossen hatten, als ihre Ehe in eine schwere Krise geraten war. Mark ging damals noch in Newcastle zur Schule und musste bis zur Abschlussprüfung bei einem Freund auf dem Boden schlafen. Sascha wollte alles Mögliche über die Insel wissen: «Aber ist es da nicht furchtbar kalt? Gibt es dort tatsächlich keine Bäume?» Conrad lachte immer wieder, und irgendwann sagte er zu Bob: «Siehst du, ich habe dir ja gesagt, es ist gut, verrückte Eltern zu haben.»
«Und was haben Sie studiert?», erkundigte sich Sascha bei Mark.
«Erst mal gar nichts. Ich konnte es mir nicht leisten, und ich hatte ja auch kein Zuhause, wohin ich in den Semesterferien gekonnt hätte. Zwei Jahre lang habe ich in einem Leuchtturm gearbeitet, bis er stillgelegt wurde, danach habe ich angefangen, halbtags Friedensforschung zu studieren. Aber ich habe natürlich schnell gemerkt, dass die Friedensforschung keine Zukunft hat.» Er lachte.
«Warum denn nicht?», fragte Sascha.
«Na ja … Wissen Sie, damals hatte gerade der Golfkrieg angefangen, und es wirkte alles so verkorkst. Ich habe dann stattdessen Maschinenbau studiert und nach dem Abschluss auch eine Zeit lang als Ingenieur gearbeitet. Aber das habe ich natürlich wieder hingeschmissen und …»
«Du hast es doch gar nicht richtig hingeschmissen», warf Libby ein. «Du hast nur angefangen, Schiffe zu entwerfen.»
«Ja, so kann
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