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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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man’s auch sagen.»
    Während ich mir noch überlegte, wie Libby dieses Detailwissen erklären wollte, klingelte es erneut, und sie ging zur Tür. Und dann stand plötzlich Rowan in der Wohnzimmertür, in Jeans und hellblauem Hemd. Meinem Blick wich er aus. Er hatte eine Flasche Wein mitgebracht, die er Libby überreichte.
    «Lise kann leider nicht kommen», sagte er, nachdem er Sascha auf beide Wangen geküsst und Conrad die Hand gedrückt hatte. «Sie leidet unter fürchterlichen Kopfschmerzen. Sie hat Tabletten genommen und ist ins Bett gegangen. Ich werde mir also Mühe geben, uns beide heute Abend würdig zu vertreten.»
    «Ach, die Arme!», sagte Sascha.
    «Sie hatte ja schon als kleines Mädchen mit Kopfschmerzen zu kämpfen», merkte Conrad an.
    Er war Lises Bruder! Hatte ich das gewusst und es einfach nur vergessen? Nein, wohl kaum. Dann war Rowan also Bobs Onkel. Ich hatte Bobs Onkel geküsst und seither Millionen erotischer Phantasien über ihn gehabt! Ein Glück, dass ich Libby nicht erzählt hatte, mit wem ich eine Affäre anfangen wollte, zumal mir jetzt, wo ich ihn vor mir sah, erneut sehr klar wurde, wie unmöglich das tatsächlich war. Dann fiel mir wieder ein, dass ich Rowan ja von ihrer Affäre erzählt hatte. Ich leerte mein Weinglas in einem Zug und vermied es nun ebenfalls, ihn anzusehen.
    Beim Abendessen kam das Tischgespräch irgendwie auf Paradoxa. Libby hatte von meinem Fernseh-Deal erzählt, von den vielen Berechnungen, die ich in meinen Science-Fiction-Romanen verwendete, und all den merkwürdigen Dingen, die ich über Mobilfunknetze und Zellstrukturen schrieb. Offenbar war sie in Sorge, wie sich das alles wohl auf den Bildschirm übertragen ließ. Ich erklärte, da müsse sie sich keine Sorgen machen, denn nach allem, was man so hörte, verstaubten die meisten Fernsehoptionen ohnehin so lange im Regal, bis sie ausliefen; es sei also eher unwahrscheinlich, dass die Bücher tatsächlich verfilmt würden. Rowan wollte wissen, ob ich all die Berechnungen und wissenschaftlichen Grundlagen in meinen Romanen eigentlich verstand – eine sehr berechtigte Frage, ich verstand sie nämlich keineswegs immer. Oder besser gesagt: Zum Zeitpunkt des Schreibens verstand ich sie noch, ein gutes Jahr später aber nicht mehr, und das war meistens der Zeitpunkt, zu dem ich ein paar Interviews geben musste. Ich gab mir Mühe, das alles so aufrichtig wie möglich zu erklären.
    «Aber du rezensierst doch auch naturwissenschaftliche Bücher?», fragte Sascha.
    «Ja», antwortete ich. «Damit ist es ganz ähnlich. Wenn ich sie lese, verstehe ich sie, vor allem, wenn sie gut geschrieben sind und viele eingängige Beispiele enthalten. Aber sobald mich jemand bittet, ihm die Relativitätstheorie zu erklären, kriege ich das nicht hin. Oder nur noch halbwegs. Welche war noch gleich die mit der Lichtgeschwindigkeit?»
    Bis auf Conrad sahen mich alle verständnislos an.
    «Die spezielle Relativitätstheorie», erwiderte er.
    «Dann ist die allgemeine Relativitätstheorie die mit der Schwerkraft?»
    Conrad lachte und trank einen Schluck Wein. «Ich glaube schon. Du hast recht, man vergisst das alles sehr schnell.»
    «Ich habe einen ganzen Wust von Bildern im Kopf: ein Mann in einem Zug, der genauso schnell fährt wie das Auto neben ihm, und so kommt es dem Mann vor, als würden Zug und Auto sich gar nicht bewegen, relativ zueinander gesehen. Als er ein Stück durch den Waggon geht, meint er, sich mit etwa anderthalb Stundenkilometern fortzubewegen, doch in Wahrheit bewegt er sich ja mit der Geschwindigkeit des Zuges plus seiner eigenen. Und ich sehe das Raum-Zeit-Kontinuum wie eine Decke vor mir ausgebreitet …»
    «So wie den Stoff des Universums!», unterbrach mich Libby.
    Ich sah sie lächelnd an. «Ganz genau so.»
    «Jetzt hast du uns völlig verwirrt», sagte Bob zu Libby.
    «Ach, ich habe Meg vor Jahren mal den Stoff des Universums gestrickt. Nichts weiter.»
    Mark verdrehte die Augen, weil Libby gerade nicht zu ihm hinsah.
    «‹Nichts weiter›», wiederholte Rowan lachend, fing meinen Blick auf und sah dann rasch wieder weg. «Als wärst du eine Art Gott des Strickens.»
    «Eher Gottes rechte Hand», erwiderte Libby. «Ich musste schließlich erst Conrad fragen, wie der Stoff des Universums denn wohl aussehen würde, bevor ich ihn überhaupt stricken konnte.»
    «Glaubt ihr, Gott hat das Universum selbst erschaffen oder es einfach nur entworfen und von jemand anderem erschaffen lassen?», fragte

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