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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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großartig dort. Sie war es auch gewesen, die mich vorgeschlagen, mir eine Empfehlung geschrieben und mir geholfen hatte, das Material auszuwählen, das ich einreichen wollte und das inzwischen größtenteils wieder gelöscht war. Sie erzählte mir, dort herrsche eine richtige «Lagerfeuer-Atmosphäre»: Man lerne nette Leute kennen, sitze abends beim Wein auf der Terrasse, und tagsüber könne man völlig ungestört schreiben, schwimmen, spazieren gehen und nachdenken.
    Doch mir machte die Vorstellung einfach nur Angst. Ich wollte gar keine Leute kennenlernen, die womöglich glücklich waren und mir mein eigenes Unglück vor Augen führten. Außerdem wollte ich Christopher nicht verlassen, weil ich sicher war, dass ich danach nicht mehr zu ihm zurückkehren würde. Es war noch nicht lange her, dass Rowan und ich uns geküsst hatten. Und obwohl ich fest entschlossen war, an keinem Sonntagabend in Dartmouth nach ihm Ausschau zu halten, wollte ich doch zur Eröffnung des Schifffahrtsmuseums gehen, um ihn zumindest noch einmal zu sehen. Das war mir damals natürlich alles nicht so klar. Ich redete mir ein, dass ich nicht fuhr, weil ich niemanden hatte, der sich in der Zeit um B. kümmern würde, und weil ich meine CO 2 -Bilanz nicht durch Fliegen vergrößern wollte. Außerdem würde Christopher einsam sein und eventuell sogar verhungern: Er konnte Supermärkte nicht leiden, hatte aber seit seinem Entschluss, all sein Obst und Gemüse in Blumenkästen auf der Fensterbank anzubauen, erst eine Tomate und einen Basilikumstrauch zustande gebracht. Überhaupt hatte ich wie immer kein Geld übrig. Die Stiftung, von der die Künstlerkolonie unterstützt wurde, übernahm zwar die Kosten für Flug und Unterbringung, aber man musste sich selbst verpflegen. Und natürlich hätte ich mir auch noch Sandalen, Sonnencreme, einen Bikini, ein paar Sarongs, Mückenschutz und eine Sonnenbrille kaufen müssen, denn nichts von alledem besaß ich.
    Letztlich konnte ich mir ohnehin nicht vorstellen, dass es irgendetwas ändern würde, in Griechenland zu sein. Wer ständig neue Anreize brauchte, hatte ich beschlossen, war eben einfach nicht besonders gut darin, das Beste aus dem zu machen, was er hatte, geschweige denn darin, sich etwas auszudenken. Ich war stolz auf meine Fähigkeit, dem ewig gleichen Strand in Devon, an dem ich Tag für Tag mit B. spazieren ging, viele aufregende Stunden oder zumindest Minuten abzugewinnen. Wozu brauchte ich Abwechslung? Darüber hinaus war ich zu dem Zeitpunkt überzeugt, dass mich ohnehin nichts mehr überraschen konnte, abgesehen vielleicht von einem richtig aufregenden populärwissenschaftlichen Buch. Literatur begeisterte mich schon lange nicht mehr, und wenn ich den Klappentext eines Romans gelesen hatte, sah ich in den meisten Fällen keine weitere Notwendigkeit, das ganze Buch zu lesen. Manchmal las ich einen Roman zu drei Vierteln durch und hörte dann auf, weil ich schon wusste, wie er enden würde. Außerdem hatte ich mir angewöhnt, die einzelnen Seiten eines Romans quasi von hinten nach vorn zu lesen und immer erst den untersten Absatz zu überfliegen, damit ich im Vorhinein wusste, was passieren würde, wenn ich oben weiterlas. Nachdem ich den Oktober in Griechenland auf mehrere verschiedene Arten im Kopf durchgespielt hatte, war ich überzeugt, dass es sich nicht lohnte, überhaupt noch hinzufahren. Wie Meerwasser und Sonne sich anfühlten, wusste ich; mit Leuten redete ich ständig, und Wein trank ich auch. Was hatte es da für einen Sinn, das alles unter etwas veränderten Umständen in einer etwas anderen Zeitzone zu machen? Eigentlich flog ich sehr gerne, genoss es, die Welt von oben zu betrachten wie eine Kritzelei und dabei das Gefühl zu haben, mit dem Kritzler befreundet zu sein. Aber auch diese Erfahrung hatte ich schon gemacht. Ich wusste bereits, wie das Experiment ausgehen würde.
    Und schließlich war ich mir nicht sicher, ob ich meinen Roman überhaupt irgendwo fertigschreiben konnte, geschweige denn an einem völlig fremden Ort wie Griechenland. Ursprünglich hätte ich ihn 1999 abgeben sollen, und seither musste ich alljährlich eine neue Mail an meine Agentur schreiben und um eine weitere Verlängerung bitten. Die Lektorin, die den Roman in Auftrag gegeben hatte, war Ende 2002 gegangen, ihre Nachfolgerin Ende 2004. In der Zwischenzeit war zudem der Verlag von einem anderen Verlagshaus aufgekauft worden und wurde als Imprint weitergeführt. Dann wurde das andere Verlagshaus von

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