Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
ein bisschen voreilig. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich mit vier Nadeln fertig werde. Ich komme ja nicht mal mit zweien richtig klar.» Ich hatte meinen türkisfarbenen Schal um den Hals und spielte mit dem einen Ende herum. Zum Anschlagen hatte ich eine verknotete Schlinge gemacht, und als ich fertig war, hatte ich beide Wollenden durch die letzte Masche gezogen, so, wie Vi es mir gezeigt hatte. Doch der Knoten war immer noch zu sehen und stach heraus wie ein Fehler im Stoff. «Natürlich bin ich inzwischen ein echtes Ass mit rechten und linken Maschen. Aber vielleicht sollte ich erst noch etwas anderes probieren, für das man zu- und abnehmen muss und all so was. Und tatsächlich einem Strickmuster folgt. Morgen kaufe ich mir neue Wolle und ein Muster. Ich freue mich schon. Und später stricke ich dann Socken.»
    «Warum willst du eigentlich unbedingt Socken stricken?»
    «Ursprünglich wollte ich Christopher welche schenken, aber da bin ich mir zurzeit nicht mehr so sicher. Ich weiß, dass es ewig dauert, aber der Gedanke gefällt mir nach wie vor. Das ist einfach etwas, das man immer und überall machen kann, es hat so was Kompaktes. Neulich habe ich jemanden im Zug stricken sehen, das wirkte total beruhigend. Und ich mag die Vorstellung, ein ganzes Kleidungsstück auf einmal zu stricken. Vielleicht betreibe ich ja irgendwann einen schwunghaften Handel mit handgestrickten Designersocken und formuliere meine Romane dabei im Kopf oder spreche sie in ein Diktiergerät. Andererseits habe ich neulich in der Bibliothek in einem Buch geblättert, und da stand alles Mögliche über das Aufnehmen von Maschen, das mir gar nicht gefallen hat. Idealerweise könnte ich das Sockenstricken auch im Roman unterbringen. Vielleicht baue ich ja ein Strickmuster ein oder so was. Aber eigentlich müsste da ein Mann stricken, damit es nicht zu tantig rüberkommt. Ich muss einfach noch etwas mehr üben, bevor du es mir beibringst. Fehler ausbessern kann ich auch noch nicht. Wahrscheinlich sollte ich einfach mal absichtlich ein paar machen, damit ich sie anschließend ausbessern kann. Im Augenblick bin ich immer schrecklich vorsichtig, weil ich weiß, wenn ich Mist baue, muss ich das Ganze wegschmeißen.»
    «Fehler beim Stricken ausbessern, das kann ich», sagte Libby. «Nur nicht im richtigen Leben. Am liebsten würde ich nochmal ganz von vorn anfangen. Hast du eine Idee, wie ich das anstellen könnte?»
    «Nach meiner bisherigen Erfahrung ziehst du einfach am Faden und ribbelst alles wieder auf: ping-ping-ping . Und danach ist es schrecklich mühsam, das krusselige Zeugs wieder zu einem ordentlichen Knäuel zu rollen.» Ich lachte. So war es mir am Anfang mit meinem türkisfarbenen Schal ergangen. «Entschuldige. Aber falls es dich interessiert: Ich habe gerade ein Buch gelesen, das behauptet, wir wären alle unsterblich und hätten das nur noch nicht begriffen, haben aber jede Menge Möglichkeiten, ein perfektes Leben zu führen. Ich weiß allerdings gar nicht, ob das so viel besser wäre. Wer entscheidet denn, was ein perfektes Leben ist?»
    Libby wollte wissen, was das für ein Buch sei, und ich fasste Newmans Argumentationslinie genau so für sie zusammen, wie ich das in meiner Rezension getan hatte.
    «Klingt ziemlich unwahrscheinlich», bemerkte sie.
    «Rein wissenschaftlich stimmt es», sagte ich. «Zumindest, soweit ich das beurteilen kann. Das ist so, als hätte man ein Strickmuster, bei dem alle Anweisungen korrekt sind, aber was am Ende dabei herauskommt, ist trotzdem furchtbar, weil man darin gefangen ist.»
    «Als würde man sich in einen riesigen Sack hineinstricken.»
    «Ja, genau.»
    «Aber wenn ich mich umbringe, kriege ich nochmal eine neue Chance, und wenn ich dann alles richtig mache, komme ich in den Himmel?», fragte Libby. «Das hört sich doch ganz schön an, selbst wenn es ein riesiger Sack ist.»
    «Ja, irgendwie schon. Hängt allerdings sehr davon ab, ob die Theorie tatsächlich stimmt.»
    «Großer Gott. Soll ich dir sagen, wie das aus meiner Sicht laufen wird? Ich werde Bob verlassen, letztendlich wegen dem Sex, und alles verlieren, und er wird absolut großmütig sein, aber es wird ihm trotzdem das Herz brechen; er wird weinen, und Mark und ich brennen gemeinsam durch, und sobald die ganze Situation geklärt ist, fangen wir an, uns miteinander zu langweilen, und haben uns nichts mehr zu sagen, und er wird die ganze Zeit mit seinen Kumpels Fußball gucken, und ich werde keine Kumpels haben, und Sex

Weitere Kostenlose Bücher