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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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den in Totnes üblichen Anzeigen, ein paar Mitbewohner- und ein paar Vermietungsgesuchen. Daneben hing ein Plakat, das einen Vortrag in ein paar Wochen ankündigte. Das Thema lautete «Erfolgreich in der Zweitwelt». Und der Vortragende war Kelsey Newman. Wie bitte? Jetzt kam Kelsey Newman auch noch nach Totnes? Langsam wurde mir das alles richtig unheimlich. Ich schloss kurz die Augen, doch als ich sie wieder öffnete, hing das Plakat immer noch da. Ich wandte den Blick ab und sah Peter dabei zu, wie er die Kasse öffnete und fünf Ein-Pfund- sowie etliche Fünfzig-Pence-Münzen herausnahm, die er mir in die Hand drückte. Noch vor ein paar Stunden wäre mir das wie ein kleines Vermögen vorgekommen. Jetzt war es einfach Kleingeld für den Automaten.
    «Meg, würdest du Christopher bitte etwas von mir ausrichten?»
    «Natürlich», antwortete ich.
    «Es …» Lange blieb es still, und Peters Blick wanderte zum Fenster. Draußen ging eine Frau in einem langen schwarzen Rock und einem grauen Wollcape vorbei. Als sie verschwunden war, sah er wieder zu mir hin. «Wenn ich’s mir recht überlege, gibt es vielleicht doch nichts auszurichten.»
    «Ich kann es ihm sagen, was immer es ist», erwiderte ich.
    «Nein. Ich wollte sagen, dass es mir leidtut und dass ich hoffe, es geht seiner Hand bald wieder besser. Aber eigentlich tut es mir gar nicht leid, und ich würde mir wünschen, dass ihm die Hand abfällt. O nein, das habe ich nie gesagt. Vergiss es wieder.»
    Peter war sonst immer so nachgiebig und so besorgt um seine Söhne. Etwas Derartiges hatte er mir gegenüber noch nie geäußert.
    «Das verstehe ich», erwiderte ich. «Mir würde es an deiner Stelle auch nicht leidtun.»
    Er runzelte die Stirn. «Im Ernst?»
    «Ja. Es würde mir gar nicht einfallen, ihn zu bemitleiden. Ich hoffe, Milly kommt bald zurück.»
    Wir tauschten einen Blick, und ich glaube, er verstand, dass ich es ernst meinte.
    «Warum ist Altsein eigentlich ein solches Verbrechen?», fragte er. «Alle glauben immer, wenn eine junge Frau mit einem älteren Mann zusammen ist, geht es für ihn nur um den Sex und für sie nur ums Geld. Alter kann Schönheit kaufen. Aber ich bin gar nicht reich, und Milly ist nicht schön.» Er errötete leicht. «Für mich natürlich schon, aber eine Frau wie sie findet man bestimmt nicht in den Hochglanzmagazinen.» Er seufzte. «Vielleicht kannst du es Christopher ja endlich austreiben, sie immer als ‹fünfundzwanzigjährige Kellnerin› zu bezeichnen; sie ist nämlich achtundzwanzig und promovierte Musikwissenschaftlerin. Herrgott, sie arbeitet doch nur hier im Café, um mir zu helfen! Und wenn du schon dabei bist, dann sag ihm doch auch, er braucht sich hier nicht mehr blicken zu lassen. Diesmal habe ich wirklich genug von ihm.» Er schwieg und seufzte noch einmal schwer. «Das kannst du ihm natürlich nicht sagen, das ist mir klar. Ich rede noch selber mit ihm. Entschuldige bitte, Meg. Ich sollte das alles nicht an dir auslassen. Das ist unverzeihlich.»
    «Das macht mir wirklich nichts aus», sagte ich. «Ich finde den Umgang mit Christopher auch nicht gerade einfach. Aber ich dachte immer, das liegt an mir.»
    «Es liegt nicht an dir. Er war schon immer so.»
    ***
    Draußen auf einer Bank vor der Notaufnahme des Krankenhauses von Torbay fand ich Josh. Er trug eine hellblaue Hose mit leicht ausgestellten Beinen, ein schwarzes T-Shirt und eine graue Reißverschlussjacke und sah aus, als sollte er in einer Krankenhausserie, die die Gefahren von Drogenmissbrauch, Skateboardfahren oder religiösen Sekten anprangerte, einen Studenten spielen. Seine Haare waren fast so lang wie meine, doch er trug immer einen Pferdeschwanz. Ich setzte mich neben ihn, holte eine Mandarine aus der Tasche und schälte sie. Dann bot ich Josh die Hälfte an, doch er schüttelte den Kopf.
    «Und?», fragte ich.
    «Er ist drinnen. Und hat immer noch eine Saulaune.»
    «Oh.»
    «Ich habe ihm gesagt, ich warte hier draußen auf dich, weil du ja vielleicht nicht weißt, wo du hinmusst. Aber wenn du magst, können wir auch noch ein bisschen länger auf dich warten. Hat Dad dir erzählt, was passiert ist?»
    «Nicht direkt. Er meinte nur, Christopher hätte mit der Faust gegen die Wand geschlagen.»
    «Manchmal ist er echt ein solcher Zapfen.» Josh hielt den Blick auf den Boden vor uns gerichtet. «Ich versteh’s einfach nicht.»
    «Was war denn das mit Millys Einzug?»
    «Dad will Christophers altes Zimmer ausräumen und renovieren lassen.

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