Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
half ihrem Sohn bei den Hausaufgaben. Ich hatte im Lauf der Jahre viele Porträts über Brown gelesen, aber keines hatte diesen wehmütigen Ton, den ich in einem Artikel in der britischen Zeitschrift The Lady spürte, in dem sie über diese Jahre sinnierte.
»Ich war«, erinnerte sie sich, »sehr glücklich. Zum ersten Mal in meinem gesamten Arbeitsleben hatte ich als Mutter nicht mehr diesen Gewissenskonflikt. Dieser Konflikt kann sehr anstrengend sein. Und plötzlich war ich davon befreit – ich konnte zu Schulveranstaltungen kommen – ich konnte da sein, wenn die Eltern da sein sollten –, und wenn sich ein Termin verschob, musste ich nicht sofort überlegen, wie ich das machte oder einen anderen Termin verlegen konnte. Diese Diskussionen mit mir selbst hörten auf. Ich konnte meine Kinder von der Schule abholen und bekam eine Vorstellung von ihrem Tag. Das war wirklich schön. Ich fühlte mich total verjüngt. Ich sah auch fünf Jahre jünger aus. Leute sagten mir, ich würde so entspannt wirken – und das war ich auch!«
Vor kurzem fragte ich Brown nach dieser Zeit und wollte wissen, warum Frauen versucht sind, mit der Arbeit aufzuhören. »Viele Frauen bekommen in den traditionellen Hierarchien Blessuren ab und finden das einfach nicht befriedigend oder erbaulich und auch nicht besonders anregend«, sagte sie mir. »Sie wollen das nicht alles durchmachen, nur um in einer traditionellen Hierarchie an der Spitze zu stehen. Sie wollen weg davon und kreativ sein.« Für Tina Brown hat das funktioniert. Während ihrer Auszeit schrieb sie ihren Bestseller Diana: Die Biographie . Und jetzt ist sie in den Medien wieder mit von der Partie, ist Chefredakteurin der Nachrichten-Website The Daily Beast und Herausgeberin von Newsweek und schreibt ihren Mitarbeitern nachts um zwei Uhr noch E-Mails.
Brown sagt, sie habe ihren Frieden mit der »traditionellen Struktur« gemacht, und hält sich dabei im Grunde an dieselben Regeln, die Marissa Mayer befolgt, um einen Burn-out zu vermeiden. Bei Verhandlungen mit neuen Chefs besteht Brown immer auf einer Sache: Sie will nicht unbedingt mehr Geld, und auch eine Garderobe oder ein Chauffeur können sie nicht locken. Sie will kreative Freiheit. »Ich arbeite sehr gern für Zeitschriften. Ich schreibe gern. Ich arbeite gern in einem Büro, erlebe gern mit, wie Projekte verwirklicht werden. Wenn ich diese Arbeit nicht machen könnte, bekäme ich Depressionen. Ich glaube, entweder hat man diese Leidenschaft oder man hat sie nicht – und wer sie hat, kann sich wirklich glücklich schätzen, denn irgendwann sind die Kinder groß, daher bin ich froh, dass ich noch etwas anderes habe.«
Krawcheck hat schon oft erlebt, dass Frauen an der Wall Street der Versuchung erlagen und aufhörten zu arbeiten. Sie schaffen die erste Karrierestufe, werden dann aber nicht weiterbefördert oder mögen den Chef nicht. Ein paar Jahre später erreichen sie noch die zweite Stufe. »Die Männer machen weiter, legen einen Durchmarsch hin, aber viele Frauen sagen an dem Punkt: ›Ich bin weg. Das ist es nicht wert. Ich habe daheim zwei wunderbare Kinder, außerdem ist nichts dagegen auszusetzen, wenn eine Mutter nicht mehr arbeitet. Daheim ist es schöner.‹« Doch sie fügt hinzu: »Wenn wir Frauen über diese zweite Karrierestufe hinausbringen, dann schaffen viele auch den Weg bis ganz nach oben – es wird ja auch viel einfacher, wenn die Kinder in der Schule sind. Für mich ist es jetzt, wo meine Kinder zwölf und vierzehn sind, viel einfacher als damals mit vier und sechs.«
Eine McKinsey-Umfrage zu Frauen und Wirtschaft offenbarte vor kurzem eine bewundernswerte, aber auch frustrierende Eigenschaft von Frauen. Anders als bei Männern basieren bei Frauen Zufriedenheit und moralische Identität viel häufiger auf Aspekten der Arbeit, die nichts mit einer regelmäßigen Beförderung zu tun haben. Frauen bleiben bei einer Stelle, anstatt sich eine neue, bessere zu suchen, wenn sie daraus »eine tiefe berufliche Befriedigung ziehen«, wie es in dem Bericht heißt. Diese Freude wollen sie nicht unbedingt »gegen, wie sie fürchten, kraftraubende Besprechungen und firmeninterne Intrigen eintauschen«, die mit einer höheren Position verbunden sind.
Gegen eine tiefere Befriedigung ist natürlich nichts einzuwenden. In den Niederlanden beispielsweise gibt es derzeit eine wahre Zufriedenheitsepidemie. Trotz verschiedener staatlicher Anreize wollen viele Niederländerinnen nicht in Vollzeit arbeiten,
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