Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
sondern nachmittags lieber mit ihren Freundinnen Kaffee trinken.
Darüber sprach ich auch mit Sheryl Sandberg. Womöglich ist diese Abneigung gegen eine bestimmte Form von Ehrgeiz den Frauen angeboren? Womöglich sind Frauen so programmiert, dass sie in einem anderen Tempo durchs Leben gehen wollen? Oder könnte es sein, dass der Widerstand der herrschenden Patriarchen in der amerikanischen Wirtschaft immer noch so übermächtig ist, dass nur einige wenige tapfere Ausnahmetalente – im Grunde Frauen wie Sheryl – weiterhin den Mut und die Bereitschaft zu kämpfen aufbringen? »Das kann meiner Meinung nach schon angeboren sein, aber das kümmert mich nicht«, antwortete Sheryl. »Wir müssen es überwinden. Vielleicht sind wir auch biologisch programmiert, eines Tages fett zu werden, aber dagegen kämpfen wir ja auch an.« Die äußerlichen Hürden werden mit jedem Tag kleiner. Schon bald werden Frauen 30 Prozent der Spitzenpositionen besetzen, was nach Ansicht vieler eine Trendwende bedeuten würde, nach der Frauen an der Spitze nicht mehr ungewöhnlich wirken würden. Gegen die internen Hindernisse kommt man dagegen viel schwerer an.
Sandberg wird oft vorgeworfen, sie gebe den Frauen selbst die Schuld, weil sie nicht schnell genug vorankommen würden. Oder man sagt, sie sei blind gegenüber den Problemen einer ganz normalen berufstätigen Frau. Doch auch das wäre eine zu begrenzte Interpretation der Lage. Wenn Sandberg bei Facebook eine bessere Regelung für Frauen in der Babypause durchsetzt, hat eine Mitarbeiterin am Empfang genauso viel davon wie Sheryl selbst. Wenn Frauen wollen, dass es in Zukunft weniger kräfteraubende Besprechungen und familienfreundlichere Regelungen am Arbeitsplatz gibt, braucht es mehr Frauen, die so mächtige Positionen wie Sheryl Sandberg bekleiden. Nicht nur zum Vorteil von Sheryl Sandberg, sondern von Millionen Frauen, die weit weniger Macht haben, um Forderungen zu stellen. Wir brauchen Frauen in Spitzenpositionen, um die Arbeitswelt nach unseren Vorstellungen zu formen.
Die Goldfräulein
Asiatische Frauen übernehmen die Welt
B eim Asian Debate Institute, einem Debattierworkshop, der jedes Jahr in Seoul stattfindet, wird im Winter 2012 unter anderem die Frage behandelt, ob in der asiatischen Gesellschaft Quoten für Frauen notwendig sind, damit diese vorankommen. Die im Hörsaal einer Universität im Stadtzentrum von Seoul versammelten Studenten sind ein starkes Argument dafür, dass diese Frage mit Nein zu beantworten ist. Sie sind aus allen Regionen Asiens in die südkoreanische Hauptstadt gereist, um an der einwöchigen Veranstaltung in den Wintersemesterferien teilzunehmen, und etwa drei Viertel von ihnen sind Frauen. Einige sind nur gekommen, um ihr Englisch zu üben, aber die meisten sind da, um »aggressiver zu werden«, wie mir Hitomi Nakamura, eine japanische Studienanfängerin mit dem Spitznamen Miki, erzählte. »Das wird mir helfen, im Leben vorwärtszukommen«, sagte sie.
Die Studentin Yeeun Kim war 2011 Landesmeisterin im Debattieren und unterrichtet die Anfänger, wie sie ihre Argumente entwickeln und vertiefen müssen, damit sie »stärker« sind. Sie bittet Miki, ihr ein Beispiel für utilitaristische Logik zu geben, und Miki antwortet mit einem Piepsstimmchen. Sie hat noch nie an einer Debatte teilgenommen, und ihr Englisch ist stockend. Es wird nicht klar, ob sie überhaupt versteht, was »utilitaristisch« heißt. Sie dreht ihren Kopf leicht zur Seite und hält eine Hand vor den Mund, wenn sie spricht. »Lauter«, sagt Yeeun. Miki hebt die Stimme ein winziges bisschen. »Ich habe lauter gesagt«, wiederholt Yeeun, »ich kann Sie kaum hören hier oben.« Sie stemmt die Hände in die Hüften – ein universales Signal für wachsende Ungeduld.
Mit ihrem ausgebeulten Pullover und ihrem kurzen karierten Rock sieht Yeeun aus wie viele andere Studentinnen, die in Seoul herumlaufen, schüchtern mit jungen Männern Händchen halten, aneinanderlehnen oder mit Handys telefonieren, an denen kleine Puppen oder Stoffbären baumeln. Bei Yeeun jedoch gibt es kein mädchenhaftes Gekicher mehr. Sie begann zwei Jahre zuvor mit dem Debattieren, nachdem sie mit ihrem Freund gebrochen hatte, dem es nicht gefiel, dass sie so laut sprach, dass sie keine Auseinandersetzung scheute und sich auch sonst nicht wie die »ideale, feminine koreanische Frau« benahm. Yeeun suchte nach einer »Herausforderung, einem neuen Lebensgefühl«, und eine Freundin nahm sie in einen
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