Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
Kinder managen. Habe ich schon erwähnt, dass Kindermädchen nicht gern gesehen sind? Manche Mütter engagieren trotzdem welche, aber immer mit 1000 Entschuldigungen, doch viele stoppeln die Betreuung ihrer Kinder lieber aus einer lieber gesehenen Kombination von Verwandtschafts- und Nachbarschaftshilfe zusammen.
Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet Hwang Myeong-eun zum Schulbeispiel für die unerträgliche Situation der modernen südkoreanischen Frau wurde. Sie ist auf eine altmodische, feminine Art hübsch: eine perfekte Bubikopffrisur umrahmt ihr zartes Gesicht, und als wir uns trafen, hatte sie hellblaue Fingernägel, die perfekt zu ihrem Kaschmirpullover passten. Sie wirkt reserviert und vorsichtig und scheint überhaupt nicht der Typ für ein öffentliches Geständnis zu sein. Aber jemand musste es tun. In der koreanischen Kultur werden private Probleme nicht öffentlich diskutiert. Es gibt kein Äquivalent für Talkshows wie Oprah oder The View ,keinen öffentlichen Raum, in dem Freundinnen ihr wahres Selbst offenbaren können , keine herzzerreißenden Zeitschriftenartikel von jungen Frauen, die über die Dating-Szene frustriert sind, oder von berufstätigen Müttern, die unter ihrer Doppelbelastung leiden. Frauenratgeber und -romane sind erst in den letzten paar Jahren auf den südkoreanischen Büchermarkt vorgedrungen. Wenn Zeitungen das Dilemma der neuen Alphafrauen überhaupt erwähnen, engagieren sie dafür fast immer Experten, die verheerende Diagnosen über die psychischen Schwächen berufstätiger Frauen stellen. Zum Beispiel: »Sie sind davon besessen, in allem hervorragend abschneiden zu müssen, und neigen dazu, unpassende Beziehungen einzugehen« oder: »Sie hegen eine unbewusste Abneigung gegen die Männer, mit denen sie konkurrieren müssen, so dass sie sich von Männern angezogen fühlen, die schlechtere Jobs als sie selbst oder vielleicht überhaupt keinen Job haben.«
2009 hätte eigentlich ein wunderbares Jahr für Hwang sein müssen. Sie war sehr erfolgreich in ihrem Beruf und verdiente mehr als je zuvor, und sie hatte einen wunderbaren Sohn. Stattdessen jedoch wurde sie von einem Haufen widersprüchlicher Gefühle überschwemmt, über die sie sich nirgends aussprechen konnte. Noch schlimmer wurde die Sache dadurch, dass sie keine Vorbilder besaß. In der Generation vor ihr gab es in Südkorea noch kaum berufstätige Frauen, also konnten die Mütter aus dieser Generation nur diffuse Ratschläge geben oder lehnten die Berufstätigkeit ihrer Töchter sogar ab. Und das alles in einer Kultur, in der Psychotherapeuten völlig unbekannt sind. Unter diesen Bedingungen brach Hwang zusammen. »Ich entschuldigte mich ständig zu Hause, und ich entschuldigte mich ständig bei der Arbeit, und ich war total fertig vor Stress«, sagt sie. »Die Schuldgefühle, weil ich nicht bei meinem Kind sein konnte, waren das Schlimmste, was ich je erlebt hatte. Ich wollte bei ihm sein, wollte richtig für ihn sorgen, und ich konnte nicht.«
Warum sie ihren Beruf nicht aufgab? »Weil ich Geld verdienen musste. Wer heutzutage kein doppeltes Einkommen hat, kann seinem Kind nicht mehr die richtige Ausbildung ermöglichen und es auf die richtigen Schulen schicken.« Sie war eine schlechte Mutter, wenn sie nicht zu Hause blieb und für ihr Kind sorgte, aber auch, wenn sie nicht arbeitete und ihren Teil zur Ausbildung des Kindes beitrug. Eine Frau konnte nur verlieren. Hwangs Dilemma wäre den Amerikanern vertraut gewesen, aber in Südkorea war es etwas Neues, dass jemand die Probleme laut aussprach.
Als ich eineinhalb Jahre nach der Anzeige wieder mit Hwang Kontakt aufnahm, hatte sie ihre Stelle gekündigt und eine eigene Firma gegründet. Sie ist jetzt die Chefin von Ark & Pancom, einer kleinen Werbefirma für Boutiquen. Sie ist eine von ganz wenigen weiblichen CEO s in der südkoreanischen Wirtschaft, aber sie hat keine Angst vor der Konkurrenz. In der Werbung, sagt sie, komme es auf Kreativität und den Blick fürs Detail an, Eigenschaften, die Frauen im Überfluss hätten. Seit sie ihr Geständnis in die Zeitungen setzte, hilft ihr Mann mehr im Haus. An den Wochenenden passt er manchmal auf den Sohn auf, wenn sie müde ist. Aber sie muss ihren Mann immer noch mit Samthandschuhen anfassen. »Ich muss vorsichtig sein, damit er sich mir nicht unterlegen fühlt.« Sie fragt ihn bewusst in kleinen Haushaltsangelegenheiten um Rat, etwa wenn sie Kleider oder einen Fisch für das Aquarium ihres Sohnes kaufen will. Wenn
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