Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
wurde. Die Wirtschaft liegt am Boden. Im Bezirk Tallapoosa County, zu dem Alexander City gehört, lag die Arbeitslosenquote zum Zeitpunkt meiner Untersuchungen bei fast 14 Prozent – was auf dem Höhepunkt der Rezession für die Region praktisch Standard war.
»Noch vor 20 Jahren gab es Jobs für Männer mit niedrigem Bildungsstand und geringen Qualifikationen. Das waren sogar richtig gute Jobs, mit denen man sich in die Mittelschicht hocharbeiten konnte«, erklärt Joe Sumners, der an der Auburn University das Institut für wirtschaftliche und städtische Entwicklung leitet. »Aber diese Arbeitsplätze sind im Verschwinden begriffen. Wenn diese Männer arbeiten wollen, müssen sie erst einmal umschulen, und das fällt vielen schwer.« 1967 waren 97 Prozent der Männer, die nur einen Highschool-Abschluss hatten, erwerbstätig, 2010 waren es nur noch 76 Prozent. Diese Entwicklung findet sich nicht nur in den USA , sondern in fast allen reichen Ländern, die das Industriezeitalter hinter sich gelassen haben. »Vor 30, 40 Jahren konnte man, wenn man dem relativ konstanten Anteil der jungen Männer angehörte, die auf der Highschool nicht bereit waren, viel zu lernen, immer noch eine Beschäftigung in der Wirtschaft finden«, sagt Henry Farber, Wirtschaftswissenschaftler in Princeton. »Wenn man aufwachte und erkannte, dass man etwas tun wollte, gab es Jobs. Gute Jobs in der Industrie, da konnte man richtig Karriere als Arbeiter machen. Aber diese Jobs gibt es heute nicht mehr.«
In jüngster Zeit haben Wirtschaftswissenschaftler diesen Mangel an Verdienstmöglichkeiten für Männer als »den für sich genommen destruktivsten sozialen Faktor unserer Zeit« ausgemacht, wie es Michael Greenstone formuliert, Wirtschaftswissenschaftler am MIT und ehemaliger Chefökonom des Wirtschaftsrates von Präsident Barack Obama. David Brooks von der New York Times bezeichnete das Problem einprägsam als das »fehlende Fünftel« – und meint damit den Anteil der Männer (die meisten ohne Hochschulabschluss), die den Anschluss an die Arbeitswelt verloren haben. 1950 war es etwa jeder zwanzigste Mann im besten Arbeitsalter, der nicht arbeitete, heute ist es jeder fünfte; das ist der höchste Anteil bisher. Auf die Frage der New York Times , welches Problem ihn nachts wach halte, sprach Larry Summers, Obamas wichtigster Wirtschaftsberater, genau dieses Verhältnis an. »Mittel- und langfristig mache ich mir Sorgen, woher die Arbeitsplätze für die weniger Qualifizierten kommen sollen. Einer von fünf Männern zwischen 25 und 54 Jahren arbeitet nicht, und auch nach einer Erholung der Wirtschaft geht man davon aus, dass es immer noch jeder sechste Mann sein wird. Das hat potenziell enorme gesellschaftliche Konsequenzen.«
Der Umbruch ist vor allem in einer kleinen Stadt wie Alexander City zu spüren, er vollzieht sich jedoch überall in den USA , von der Pazifikküste im Nordwesten bis zur Atlantikküste im Nordosten, in den großen alten Industriestädten ebenso wie in den Vororten und ländlichen Regionen. Der Anteil der arbeitenden Männer sank aufgrund des Niedergangs der Automobilindustrie und des Verschwindens der gewerkschaftlich organisierten Fabriken. Die neuen Vororte in Nevada und Florida wurden durch den Zusammenbruch des Immobilienmarktes schwer getroffen. In der Reality- TV -Reihe Coal des Fernsehsenders Spike werden die Bergleute in McDowell County in West Virginia als die letzten echten Männer Amerikas romantisiert, Überbleibsel aus einer Zeit, als »schwer arbeitende Männer« noch geschätzt wurden und als »Patrioten« galten, wie die Produzenten gerne sagen. Doch diese Machos existieren nur noch im begrenzten Blickwinkel der Kameras. In seinem Buch The Big Sort zeigt der Journalist Bill Bishop, dass das wahre McDowell County Teil einer Region mit tiefreichenden sozialen Problemen ist. Viele ehemalige Bergleute sind abhängig vom Schmerzmittel Oxycontin, die Zahl der Ehen geht in den Keller, und jedes dritte Kind hat eine alleinerziehende Mutter, die für die Männer einspringen und die Familie mit einem Job bei Walmart oder bei anderen Dienstleistungsunternehmen durchbringen muss.
In all diesen Fällen übernehmen Frauen die Rolle des traditionellen »Ernährers«. Der Wirtschaftswissenschaftler David Autor vom MIT spricht in diesem Zusammenhang von einer Situation, die er mit dem Schlagwort »den Letzten beißen die Hunde« zusammenfasst: »Wenn die Männer versagen, müssen die Frauen zwangsläufig auf
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