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Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Titel: Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Rosin
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ihn an einer Bushaltestelle warten sehen. »Sie hat mir in die Augen geschaut«, erinnerte er sich, »und ist einfach weitergefahren.«
    Der Lehrer und Sozialarbeiter Mustafaa El-Scari leitet einige dieser Männergruppen in Kansas City. El-Scari hat sich mit der Soziologie der Männer und Jungen befasst, die den Halt verloren haben, und betrachtet es als seine besondere Aufgabe, sie dazu zu bringen, sich zu öffnen und über ihre neue Situation nachzudenken. An dem Tag, an dem ich seine Gruppe besuchte, musste er sich mit besonders widerborstigen Teilnehmern auseinandersetzen.
    Keiner der etwa 30 Männer im Klassenzimmer einer Schule in der Innenstadt von Kansas City war freiwillig hier. Sie hatten die Unterhaltszahlungen für ihre Kinder nicht gezahlt und waren vom Richter vor die Wahl gestellt worden, ins Gefängnis zu gehen oder einen wöchentlichen Kurs über die Aufgaben eines Vaters zu besuchen, was ihnen als die bessere Option erschienen war. In jener Woche sollte es auf Grundlage eines Arbeitsbuchs, das Quenching the Father Thirst hieß, darum gehen, einen Brief an eine fiktive entfremdete 14-jährige Tochter namens Crystal zu schreiben, die von ihrem Vater bereits als Baby verlassen worden war. Doch El-Scari hatte seine eigene Vorstellung davon, wie er zu dieser noch halb schlafenden, skeptischen Truppe vordringen wollte, und ein Brief an Crystal hatte damit nichts zu tun.
    Wie einige der Anwesenden, erklärt er, sei er damit aufgewachsen, sich das Bilderbuchleben von Bill Cosby in der Fernsehserie Die Bill Cosby Show anzuschauen – ein Mann, eine Frau und ein Haufen glücklicher Kinder. »Tja, der Traum ist schon lange zerplatzt«, sagt er. »Schauen wir mal«, fährt er fort und liest von einem Arbeitsblatt vor. »Was sind die vier Formen elterlicher Autorität? Moralische, emotionale, soziale und physische Autorität. Aber die haben Sie nicht. Sie haben nur Ihr Gehalt, und das ist jetzt auch weg. Wenn Sie versuchen, Ihre Autorität auszuüben, ruft Ihre Frau die Polizei. Wie fühlen Sie sich dabei? Sie sollen die Autorität im Hause sein, und sie sagt: ›Hau bloß ab, du Versager.‹ Sie nennt Sie einen ›Versager‹!«
    Die Männer sind weiß und schwarz, zwischen 20 und 40 Jahre alt. Zwei sehen aus, als ob sie dann und wann auf der Straße schlafen würden, aber die anderen wirken, als ob sie arbeiten würden oder früher gearbeitet hätten. Sie haben mittlerweile ihre Getränke abgestellt und hören aufmerksam El-Scari zu, der nun ein bisschen philosophischer wird. »Wer macht was?«, fragt er sie. »Welche Rolle haben Sie? Es heißt immer, wir sollen das Oberhaupt einer Kernfamilie sein, deshalb haben Sie das Gefühl, Sie wären beraubt worden. Das ist wie ein Gift, das uns zerstört und uns zum Scheitern verurteilt.« Er schreibt eine Zahl an die Tafel: 85 000 Dollar. »Das ist das Gehalt Ihrer Frau.« Dann: 12 000 Dollar. »Das ist Ihr Gehalt. Wer ist hier der Mann? Wer ist jetzt der Mann in der Familie?« Ein Murmeln setzt ein. »Das stimmt. Sie ist der Mann.«
    Diese auf den Kopf gestellte Geschlechterdynamik sorgt bei jüngeren Generationen dafür, dass eine Heirat weit weniger attraktiv wirkt. Zum ersten Mal gibt es in der Gruppe der 30- bis 44-jährigen Amerikaner mehr Frauen mit einem Hochschulabschluss als Männer. Eine wachsende Zahl dieser Frauen – die keinen Mann mit der entsprechenden Ausbildung und dem passenden Einkommen finden – verzichtet komplett auf die Ehe. 1970 waren 84 Prozent der Frauen im Alter von 30 bis 44 Jahren verheiratet. 2007 waren es nur noch 60 Prozent. Im gleichen Jahr waren von den amerikanischen Frauen mit einem Hochschulabschluss gerade einmal 43 Prozent verheiratet. Und obwohl die Gesellschaft die Hände ringt angesichts der einsamen Jungfern, sind die wahren Verlierer – definiert als die einzige Gruppe, die seit den 1970er Jahren kaum noch finanzielle Gewinne verbuchen kann – alleinstehende Männer, seien sie nun arm oder reich.
    Allein die Scheidungsstatistik erzählt eine unglaubliche Geschichte. In den 1970er Jahren musste eine geschiedene Frau damit rechnen, dass ihr Einkommen um mindestens ein Viertel zurückgehen würde, wohingegen nur sehr wenige geschiedene Männer einen ähnlichen Rückgang verkraften mussten. Die plötzlich veränderten Lebensbedingungen lieferten den Hintergrund für viele Kitschromane der damaligen Zeit, in der sich die geschiedene Frau mühsam mit Klavierstunden und als Babysitter über Wasser hält. Heute ist der

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