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Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Titel: Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Rosin
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Übergriffe unterstelle, für das Phänomen verantwortlich machte. Viele andere Experten erklärten die Lage dagegen mit einer allzu rigiden, übertrieben männlichen Betonung von Konkurrenz und Prüfungen.
    Neuerdings wird im männlichen Gehirn nach Antworten gesucht. Junge Männer, schreibt Michael Gurian, Autor des Bestsellers The Wonder of Boys und mehrerer weiterer Bücher, die den »männlichen Verstand« erklären, seien »bildhafte Denker und kinästhetische Lerner«. Das heißt, sie liebten Systeme und bewegten sich möglichst viel, wenn sie lernten. In »The Trouble with Boys«, einem Artikel für das Nachrichtenmagazin Newsweek , schreibt Peg Tyre über die »kinetischen, desorganisierten, unerträglichen und manchmal genialen Verhaltensweisen, von denen Wissenschaftler heute glauben, dass sie nicht erlernt, sondern angeboren sind«. Laut der Neurobiologin Lise Eliot jedoch fangen die Neurowissenschaften gerade erst an, die Grundlagen der neurologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu erforschen, und all die farbenfrohen Schilderungen des menschlichen und des weiblichen Verstands sind in diesem frühen Stadium »offen gesagt Schwindel«. Neurowissenschaftler wüssten zwar etwas über die unterschiedliche Gestalt und Funktion des männlichen und des weiblichen Gehirns, aber sie wüssten nicht annähernd genug, um gültige Aussagen zu machen über »irgendwelche Unterschiede in den mentalen und neuralen Prozessen, die bei Jungen und Mädchen stattfinden, wenn sie das Sprechen, das Lesen oder das Einmaleins lernen«.
    Die Nation’s Report Card (offiziell National Assessment of Educational Progress – NAEP ) ist eine Serie von Tests, die seit den späten 1960er Jahren alle paar Jahre vom amerikanischen Bildungsministerium durchgeführt wird, um die Leistungen der Schüler verschiedener Klassenstufen zu evaluieren. Bei der letzten Testserie schnitten die Mädchen im Lesen viel besser ab als die Jungen, aber das war schon immer so. Die einzig bedeutsame Veränderung im Lauf des letzten Jahrzehnts ist ein Einbruch bei den Jungen der zwölften Klasse. Dieser Einbruch ist bei armen und eingewanderten Familien am stärksten, aber nicht auf sie beschränkt. Am Ende der Highschool schnitten von den weißen Jugendlichen, deren Eltern einen Hochschulabschluss besaßen, fast 25 Prozent der Jungen, aber nur 7 Prozent der Mädchen im Lesetest des NAEP »schlechter als ausreichend« ab. In Mathematik verbessern sich die Werte sowohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen kontinuierlich, aber die Mädchen haben in den letzten paar Jahren die Jungen eingeholt.
    In keinem einzigen Jahr sind die Unterschiede alarmierend, und in manchen Jahren schneiden auf bestimmten Klassenstufen sogar die Jungen besser ab. In der Summe jedoch liefern die Daten das Bild eines Bildungssystems, das den Stärken der Mädchen entgegenkommt, und das Bild einer neuen Generation von Mädchen, die sich den gestiegenen Erwartungen gewachsen fühlt und bereit ist, ihnen gerecht zu werden. Die Schulen sind zu einer Art Mikrokosmos der gesamten Volkswirtschaft geworden. Richard Whitmire, der Autor von Why Boys Fail , fasst diesen Trend wie folgt zusammen: »Die Welt ist verbaler geworden; die jungen Männer nicht.« In den späten 1990er Jahren gingen die Bildungsplaner von der richtigen Annahme aus, dass alle Berufe heutzutage eine bessere Schreibfähigkeit verlangen. Polizisten brauchen heute bessere Qualifikationen und mehr Praxis in kommunikativen Fertigkeiten; von Fabrikarbeitern wird erwartet, dass sie komplizierte Auftragsformulare ausfüllen können. Die Gesellschaft erwartet von den meisten Arbeitern eine Lese- und Rechtschreibfähigkeit auf Hochschulniveau, auch wenn diese für ihre tägliche Arbeit vielleicht nicht notwendig ist.
    Die Schulen reagierten entsprechend und begannen, verbale Fertigkeiten früher zu fördern. Inzwischen lernt bereits ein typisches Vorschulkind, was es früher erst als Erstklässler lernte. Der verbale Lehrplan wird kompliziert, lange bevor die Jungen dafür reif genug sind. In der Folge empfinden sie sich schon früh als Schulversager. Sie werden immer frustrierter, und viele Jahre später bekommen es die Schulen mit dem Phänomen zu tun, das Whitmire als den Bauch in der neunten Klasse bezeichnet. Im neunten Schuljahr sind die Klassen oft um einiges größer als in den folgenden Jahren, weil sie voller Jungen sind, die nur noch darauf warten, bis sie alt genug sind, um die Schule endgültig zu

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