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Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Titel: Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Rosin
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selbstständig hinter sich. Sie vereinbart die notwendigen Gespräche, plant eine Besichtigung des Campus und bittet um eine Unterredung mit den Mitgliedern ihrer Fakultät. Dagegen hat man am College mehr als einen männlichen Bewerber erlebt, der sich, »manchmal mit geschlossenen Augen, auf dem Sofa zurücklehnt, während ihm seine Mama erklärt, wo er hingehen und was er tun muss. Manchmal sagen wir: ›Was für einen tollen Essay seine Mama geschrieben hat‹«, berichtet Delahunty, genau wie Michelle mit der unausgesprochenen Botschaft: Das alles wäre ja sehr lustig, wenn es nicht so traurig wäre.
    Damit die gefürchtete Schwelle von 60 Prozent nicht überschritten wird, haben die Zulassungsstellen ihre eigene Sprache entwickelt, um die Defizite der jungen Männer zu entschuldigen: »Verstand noch nicht angesprungen.« »Spätentwickler.« »Noch nicht ganz auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit.« »Ganzheitlich betrachten.« Manchmal ist Delahunty so beunruhigt über das Phänomen der »übermäßig gebildeten Frauen« und der »zu wenig gebildeten Männer«, dass sie sich zum Spaß Verschwörungstheorien ausdenkt. Einmal rief sie ihre Schwester, eine Kinderärztin, an, um ihre neueste Theorie mit ihr zu besprechen. »Vielleicht sind diese jungen Männer genetisch veranlagt wie die Kanarienvögel in einem Kohlebergwerk und nehmen so viel Gifte und schlimme Einflüsse aus der Umwelt auf, dass sich ihre DNA verändert. Vielleicht sind sie wie diese Frösche – deformiert, weil sie irgendwie empfindlicher sind oder so.«
    Gleichgültig welche Ursachen das Problem hat, dass die jungen Männer den Anschluss verlieren, es ist jedenfalls hartnäckig. In einem Artikel aus dem Jahr 2006 formulierten die Soziologen Claudia Buchmann und Thomas A. DiPrete eine faszinierende Erklärung dafür, warum dem so ist. Sowohl die Jungen als auch die Mädchen, die vor Mitte der sechziger Jahre in Familien geboren wurden, in denen beide Eltern eine Hochschulausbildung hatten, machten in der Regel ebenfalls einen Hochschulabschluss. Dagegen ließen die weniger gebildeten, aber aufstiegsorientierten Familien jener Periode gemäß einer alten kulturellen Tradition meistens nur ihre Söhne studieren. Im Lauf der Zeit jedoch kehrte sich dieses Muster um. In Familien, wo der Vater nur einen Highschool-Abschluss oder weniger hat, ist es heute viel wahrscheinlicher, dass die Mädchen erfolgreich studieren und nicht die Jungen. Falls auch die Jungen eine Hochschule besuchen, ist es wahrscheinlicher, dass sie das Studium abbrechen. Dieser Unterschied ist bei Familien ohne Vater besonders ausgeprägt.
    Wenn die Mutter eine Hochschule besucht hat, verbessert dies offenbar bei den Töchtern die Chancen auf einen Hochschulabschluss, wirkt sich aber bei den Söhnen nicht aus. Für sie ist die Mutter offenbar kein geeignetes Rollenmodell, also sind sie nicht motiviert, ihrem Beispiel zu folgen. Diese Dynamik sorgt dafür, dass das Matriarchat Wurzeln schlägt. Frauen aus der Mittelschicht heiraten heutzutage seltener als früher, und wenn sie es doch tun, ist es wahrscheinlicher, dass der Mann keinen Hochschulabschluss hat. Wir haben also eine Zukunft vor uns, in der die Mütter eine Generation nach der anderen als Rollenmodell für ihre ehrgeizigen Töchter dienen, während die Söhne ratlos zusehen. Außerdem investieren die Familien heute in Umkehrung einer jahrhundertelangen Tradition in ihre Töchter. Dass in der Geschichte so lange die Söhne bevorzugt wurden, beruhte nicht nur auf emotionaler Bindung oder Gewohnheit. Die Familien steckten ihre Ressourcen in die Söhne, weil diese die größten Erfolgschancen hatten und ihre Eltern im Alter am ehesten unterstützen konnten. Nachdem nun die Frauen die amerikanischen Hochschulen dominieren, setzt die aufstiegsbewusste Mittelschicht stärker auf ihre Töchter.
    Wie erklärt sich diese Entwicklung? Was passiert in der frühen Schulzeit, das so viele junge Männer davon abhält, eine Hochschule zu besuchen? In den ganzen späten 1990er und frühen 2000er Jahren suchten diverse Experten vergeblich nach dem magischen Hinweis oder der wundersamen Theorie, die erklären konnten, was da schiefging. Viele dieser Theorien widersprechen einander. Christina Hoff Sommers verursachte im Jahr 2000 große Aufregung mit »The War Against Boys«, einem Artikel in der Zeitschrift The Atlantic , der einen fehlgeleiteten Feminismus, der normalen männlichen Jugendlichen Gewalttätigkeit und sexuelle

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