Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
verlassen. Im Gegensatz dazu werden die Mädchen immer ehrgeiziger, wenn sie die Schule durchlaufen. Sie machen häufiger als die Jungen Vorbereitungskurse für ein Studium, darunter Geometrie, Algebra II , Chemie, Biologie und Fremdsprachen – nur Physik wird immer noch häufiger von Jungen belegt. Eine Studie der University of Michigan ergab, dass in der Oberstufe der Highschool 67 Prozent der weiblichen, aber nur 55 Prozent der männlichen Schüler sagten, sie wollten ein vierjähriges Hochschulstudium absolvieren.
Außer an rein verbalen Fähigkeiten fehlt es vielen Jungen auch an sogenannten »nichtkognitiven Fähigkeiten«; sie können sich zum Beispiel nicht genug konzentrieren, sind unfähig, sich und ihre Arbeit zu organisieren, und lassen sich leichter auf Abwege bringen. Jungen aller Ethnien und Schichten haben häufiger Disziplin- und Verhaltensprobleme und werden häufiger von der Schule verwiesen als Mädchen. Sie verwenden viel weniger Zeit auf ihre Hausaufgaben und sind viel häufiger auf Sonderschulen oder haben irgendeine Behinderung wie zum Beispiel Autismus. Die Lehrer in der Highschool attestieren den Mädchen durchgängig mehr Disziplin und Fleiß als den Jungen. Außerdem sind die Versuchungen, die die Leistung beeinträchtigen können, heute viel mächtiger geworden. Sowohl Jungen als auch Mädchen verplempern Zeit mit neuen Technologien, aber Studien beweisen, dass Jungen dafür größere Zeitblöcke aufwenden und nach der Schule stundenlang Videospiele spielen. Tatsächlich bildet sich gerade ein Konsens, dass genau die Eigenschaften den größten akademischen Erfolg verheißen, die seit jeher das Klischee des guten Mädchens ausmachen: Selbstdisziplin und die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub. Mit anderen Worten: die Fähigkeit, sich zwei Stunden an die Hausaufgaben zu setzen, bevor man sich der Playstation widmet.
Natürlich ist es möglich, dass Mädchen schon immer die besseren natürlichen Voraussetzungen hatten, um bessere Schüler zu werden. Dass sie schon immer fleißiger, organisierter, disziplinierter und gefallsüchtiger waren, dies aber angesichts ihrer begrenzten Chancen kaum ins Gewicht fiel. In dem 1860 erschienenen Roman Die Mühle am Floss von George Eliot wird deutlich, dass Maggie viel besser für eine weiterführende Schulbildung geeignet ist als ihr Bruder Tom. Sie ist neugieriger und aufgeschlossener und hat immer ein Buch in der Hand (obwohl ihre Lernbegier in der damaligen Zeit als Aufsässigkeit und Mangel an Gehorsam interpretiert wurde). Aber an dem Tag, als Tom von der Schule heimkommt und sie ihm Geld aus ihrer Sparbüchse anbietet, sagt er: »Wozu? Dein Geld brauch ich nicht, du dummes Ding. Ich hab ’ne ganze Menge mehr Geld als du, weil ich ein Junge bin. Zu Weihnachten kriege ich immer halbe oder ganze Sovereigns geschenkt, weil ich mal ein Mann sein werde; und du nur Fünfschillingstücke, weil du bloß ein Mädchen bist.« Obwohl Tom sie für dumm hält, verspricht er, immer für sie zu sorgen.
Heutzutage haben Mädchen viel stärker das Gefühl, dass ihre Anstrengungen in der Schule sich auszahlen werden. »Monitoring the Future«, eine große Langzeitumfrage unter Highschool-Schülern, ergab, dass die neue Generation von Schülerinnen ausgesprochen ehrgeizig ist. Fast die Hälfte der Mädchen sagte2010 , es sei wichtig, Führungsaufgaben zu haben, gegenüber 19 Prozent im Jahr 1975. 71 Prozent sagten, sie wollten einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Und trotz all dem Gerede über das sinkende Selbstvertrauen der Mädchen in der Mittel- und Oberstufe sagten die meisten befragten Mädchen dieser Altersgruppen, sie seien glücklicher als je zuvor. Ob sie mit »dem Leben insgesamt« zufrieden seien? Auch diese Frage wurde von 71 Prozent mit Ja beantwortet. Und 75 Prozent sagten, sie seien zufrieden mit sich selbst.
Mein eigener Sohn und meine Tochter sind gleich gut in der Schule, aber ich kann erkennen, dass das System den Jungen auf Arten strapaziert, die das Mädchen locker verkraftet. Als meine Tochter relativ neu an der Schule war, erfand sie eine Anzahl imaginärer Fingerpuppen, zum Beispiel die Zahnpastafee oder die Pfennigfee, und spielte mit ihnen still unter ihrem Kleidersaum, wenn sie in der Schule nervös oder unruhig wurde. Ein Lehrer, der sie beobachtete, hätte nur ein Mädchen gesehen, das mit gesenktem Kopf still dasaß, und wenn er sie aufrief, wäre sie sofort wieder aufmerksam gewesen und hätte geantwortet. Unter denselben
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