Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
Mädchen dann ein PACE -Center statt der Highschool. Sie haben normalen Unterricht, aber auch Beratungssitzungen und sind einigermaßen strengen Regeln unterworfen. Als Kleidung sind Poloshirt und lange Hosen vorgeschrieben, und die Mädchen müssen sich immer abmelden, wenn sie das Gebäude verlassen. Bei PACE gilt das Prinzip, dass die Mädchen im System anders behandelt werden müssen als die Jungen, und die Organisation hat zu diesem Zweck ein sogenanntes »geschlechtsspezifisches Programm« entwickelt. »Die Mädchen werden generell falsch verstanden«, sagt die Direktorin Aggie Pappas. »Sie sind in der Regel irgendwie traumatisiert oder viktimisiert, und das ist der Antrieb für ihr Verhalten. Wir geben ihnen einen Raum, in dem sie sich ausdrücken und eine eigene Stimme finden können.« In einer Gruppensitzung sah ich zu, wie die Mädchen mit den Beratern darüber sprachen, was sie tun sollten, wenn ihre Väter ihnen nicht trauen und sie zu Hause einschließen oder wenn ihre Mutter einfach verschwindet. Die Mädchen kamen aus allen Teilen der Region und waren etwa zu gleichen Teilen Weiße, Afroamerikanerinnen und Latinas. Während ich dort war, führte eine Gruppe der Mädchen einen bewegenden, wenn auch etwas unbeholfenen Tanz zu dem absolut angemessenen Girlpowerhit »Fuckin’ Perfect« von Pink vor: »Pretty pretty please, don’t you ever ever feel, like you’re less than fuckin’ perfect« (»Bitte, meine Hübsche, fühl dich immer, als ob du verdammt perfekt wärst«), lautet der Refrain.
Die Mädchen, mit denen ich sprach, haben offenbar die Grundbotschaft von PACE akzeptiert, dass es besser ist, eine Hochschule zu besuchen, als im Knast zu landen, und dass es besser ist, über ein Problem zu reden, als zuzuschlagen. Aber selbst bei den beiden vorbildhaften Schülerinnen, die mich das Personal des Centers interviewen ließ, ist der reale Bezug zur Gewalt immer noch bestenfalls ambivalent. Wenn sie von den Kämpfen sprechen, die sie gewonnen haben, sind sie unverkennbar stolz. Meine 17-jährige Gesprächspartnerin Delores hat genauso hübsche Augen wie Beyoncé und eine kurvenreiche Figur unter dem großen braunen Sweatshirt. Sie hat außerdem eine nette, kindliche Stimme, die ihr ständig Probleme macht, »weil die Leute mich für weich halten«. Aus diesem Grund hatte sie immer das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Sie geriet in Schlägereien mit Cousinen, Freundinnen, Freunden und sogar Polizisten. Über ihre letzte Schlägerei mit ihrer Cousine Princess erzählte sie mir: »Um ehrlich zu sein und obwohl es sich für Sie vielleicht gestört und traurig anhört, mir hat es gefallen, sie zu schlagen. Ich fühlte mich sehr gut danach, weil jetzt niemand mehr denkt, dass ich Angst vor ihr habe. Wissen Sie, die Leute finden, dass sie auf der Welt nichts anderes haben als Respekt. Das ist das Einzige, wofür es sich zu kämpfen lohnt.« Diese aktualisierte Version des alten martialischen Macho-Ehrenkodex ist immer noch sehr real für sie, vielleicht das Realste in ihrem Leben.
Meine zweite Gesprächspartnerin, Delores’ 15-jährige Freundin Christine, ist ein völlig anderer Typ: weiß, mit einem Cheerleader-Selbstbewusstsein und immer schnell mit ermutigenden Wendungen bei der Hand (»Du kannst absolut aufs College gehen!«). Trotzdem fällt es ihr leicht, sich auf Delores’ Lebensphilosophie zu beziehen. Auch sie kam in Schwierigkeiten, weil sie sich an der Schule mit einem anderen Mädchen schlug. Ein Jahr danach schaut sie sich immer noch gern das Video von dem Kampf an, das jemand auf Facebook gepostet hatte, und sie wiederholt besonders gern die Stelle, an der das andere Mädchen schreit: »Geh runter von mir! Geh runter von mir!«
»Mir gefällt das, weil sie es wirklich nötig hatte, dass ich von ihr runtergehe!«, sagte Christine. »Und dann haben mir meine Freundinnen all diese Textnachrichten geschickt: ›Verdammt, der hast du’s aber gezeigt‹ und ›Die wird sich nie mehr blicken lassen.‹ Solche Sachen. Und es hört sich vielleicht traurig an, aber das hat mir auch echt gutgetan. Ich glaube nicht, dass es nur Mädchen oder nur Jungen so geht. Es geht allen so. Wenn du verlierst, halten dich die Leute für weich, und wenn du gewinnst, respektieren sie dich.«
Auf meine Frage, ob sie sich auch mit Jungen schlagen würden, lachten sie. »Natürlich! Aber wir sind die Einzigen, die schlagen«, sagte Christine und erzählte mir, dass ihr Freund einen Bluterguss bekam, weil sie ihm
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