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Das Ende der Nacht: Horror-Roman

Das Ende der Nacht: Horror-Roman

Titel: Das Ende der Nacht: Horror-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolas Preil
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antwortete Kathleen, "ich habe dich mitgenommen, weil du so lange genervt hast, bis ich es mir anders überlegt habe."
    Michelle leerte ihr Whiskey-Glas und stellte es auf dem Esstisch ab. So langsam machte das alles Sinn, eine Gruppe Überlebender, wie in dem Film Die Nacht der lebenden Toten , die darauf wartete, dass die Apokalypse an ihr vorbei ging. Aber irgendetwas stimmte noch nicht. Es waren die Details, die sie nicht kannte und die in Michelle ein Unbehagen hinterließen. Ein Teil von ihr wollte es gar nicht wissen.
    "Außerdem mag ich dich, Michelle. Du hast einen starken Überlebenswillen."
    Kathleen ging zurück in die Eingangshalle. Michelle folgte ihr und warf Kevin noch einen flüchtigen Blick zu. Der hatte sich inzwischen so sehr in das Wandspiel vertieft, dass er seine Umwelt nicht mehr wahrzunehmen schien. Als würde er schlafen, eine weitere Trance. Vielleicht wollte er sich auch von Benny ablenken, der ja anscheinend immer aggressiver geworden war. Was denkst du da eigentlich? Benny existiert nicht.  
    Die beiden Mädchen gingen zur gegenüber liegenden Tür und Kathleen ließ Michelle den Vortritt. Sie betraten das Wohnzimmer des Hauses. Der süßliche Geruch von kürzlich gerauchtem Hasch stieg in ihre Nase. Der Raum war mehrfach so groß wie ihr WG-Zimmer und hatte an einer Wand einen Kamin, in dem ein kleines Feuer loderte.
    Michelle erkannte Gabriel, der in einem grünen Sessel vor einem Fernseher saß und sich die Nachrichten anschaute. Anscheinend bemerkte er die beiden Mädchen nicht.
    Zwei weitere Personen, eine Frau und ein Mann, saßen in einer Ecke des Zimmers an einem kleinen, runden Tisch und spielten Schach. Der Mann, er schien Mitte Zwanzig, hatte kurze, blonde Haare, trug ein graues, verwaschenes T-Shirt und eine schwarze Hose aus Leder. Sein Gegenüber, die Frau, war wohl jünger als er. Sie hatte ihre pechschwarzen Haare hochgesteckt und ließ so einen Blick auf ihre Tätowierung am Hals zu. Ein Tribal, dachte Michelle zuerst, dann erkannte sie in dem Zeichen ein Symbol, das ihr heute schon zwei Mal in ähnlicher Weise begegnet war. Die Frau trug ein bodenlanges, dunkelrotes Samtkleid und keine Schuhe. Der Mann schaute auf, als die Tür ins Schloss fiel.
    "Kathleen, was hast du so lange...?"
    Er unterbrach sich selbst und musterte Michelle.
    "Was will denn die hier?", fragte er laut.
    Die Frau stand auf, ging an Michelle lächelnd vorbei und verließ den Raum.
    "Das war Laura", sagte Kathleen leise.
    "Der nette Herr am Tisch", fuhr sie ironisch fort, "das ist Thomas."
    "Verdammt, Kathleen", rief er, "was soll die hier?"
    "Sie ist eine Freundin."
    "Hast du etwa die Regeln vergessen, oder was?"
    Thomas hob einen Gegenstand vom Tisch. Erst als er ihn auf Michelle richtete, erkannte sie den Revolver. Er zog den Kolben zurück, bis es klickte, dann streckte er seinen Arm vor.
    „Sie hat hier nichts zu suchen“, sagte er.
    Dann rührte sich Gabriel, sah erst zu Michelle, dann zu Thomas. In seinen Augen lag dieselbe Ablehnung wie bei seiner Schwester.
     
     
    II
     
    Kevin ignorierte Benny absichtlich, der noch immer böse redete. Von seinem Vater, der ein Mörder war, vom Plopp-Geräusch, als die Augen seiner Mutter entfernt wurden, von den Gedärmen, von allem, was gestern Abend vorgefallen war, an das sich der Junge nicht mehr erinnern wollte.
    Kevin vertiefte sich ganz und gar in das Wandspiel. Es war ein größerer, hölzerner Kasten mit einem Glasfenster. Man musste dreißig verschiedenfarbige Kugeln in für sie vorgesehene, ebenfalls farbige Löcher bekommen. Der Weg dorthin war ein Labyrinth, das man mit jeder einzelnen Kugel durchqueren musste. In diesem Irrgarten waren falsche Löcher eingedrückt worden, die das Spiel noch schwieriger gestalteten.
    "Warum redest du nicht mehr mit mir?", fragte Kevins Licht. Es schwebte neben dem Wandspiel und schien Kevins Handlungen zu beobachten.
    "Ein richtiger Freund sagt nicht solche Sachen", antwortete Kevin beleidigt und spielte weiter.
    "Ich sage doch nur die Wahrheit."
    "Mein Vater hätte meiner Mutter nie etwas angetan. Hörst du, Benny?! Meine Eltern sind die besten Menschen auf der Welt."
    "Sie waren es, Kevin. Sie waren es", höhnte das Licht.
    "Sei ruhig!", zischte  Kevin. Jetzt hatte er keine Lust mehr zu spielen. Er setzte sich an den Esstisch und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    Die Tür wurde hinter ihm geöffnet. Er hob seinen Kopf, aber drehte sich nicht um. Er roch nur einen leicht süßlichen Duft, betörend.

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