Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
inzwischen auswerten, weil heute sogar rudimentäre Tatortspuren eindeutig zugeordnet werden können.
Auch wenn bei der DNA-Identitätsfeststellung die nicht codierenden Teile des Genoms verwendet werden (siehe oben), sind auch diese Gentests nicht mit einem Fingerabdruck gleichzusetzen. Eine solche Gleichsetzung verbietet sich schon deshalb, weil das Aussagepotenzial des DNA-Probenmaterials ungleich größer ist. Bereits nach dem heutigen Stand der Technik sind selbst bei der Analyse des nicht codierenden DNA-Bereichs Rückschlüsse auf personenbezogene Merkmale wie Geschlecht, Alter, gewisse Krankheiten oder die Zuordnung zu bestimmten Ethnien möglich. Anders als beim Fingerabdruck können – wie beim Vaterschaftstest – auch Rückschlüsse auf genetische Verwandte des Betroffenen gezogen werden, etwa auf Eltern, Kinder, Geschwister. Gegen eine Gleichstellung der DNA-Analyse mit einem herkömmlichen Fingerabdruck sprechen aber noch andere gewichtige Gründe: Zunächst ist das Gefährdungspotenzial zu nennen, das dem Verfahren innewohnt. Sobald die Körperzellen für die DNA-Untersuchung in die damit beauftragten Labors gelangen, besteht die Gefahr, dass dort missbräuchlich auch die codierenden Teile der in den Zellen enthaltenen DNA untersucht und somit Rückschlüsse auf Persönlichkeitsmerkmale und Veranlagungen gezogen werden. Erst nachdem das Identifizierungsmuster erstellt, in der DNA-Datenbank beim Bundeskriminalamt gespeichert und das untersuchte Körpermaterial vernichtet ist, besteht diese Gefahr nicht mehr.
Die Regelungen der Strafprozessordnung zur Verwendung der DNA-Identitätsfeststellung wurden seit ihrer Einführung 1997 sechsmal verändert. Überwiegend ging es dabei um Erweiterungen des Anwendungsbereichs und um die Absenkung der Hürden zum Einsatz derartiger Tests. Inzwischen ist in laufenden Ermittlungsverfahren die molekulargenetische Untersuchung bei jeder Art von Straftaten zulässig. Grundsätzlich muss dies allerdings von einem Richter angeordnet werden (sogenannter Richtervorbehalt). DNA-Identitätsfeststellungen dürfen in künftigen Strafverfahren nicht nur bei schweren Straftaten durchgeführt werden, sondern bereits bei wiederholter Begehung weniger schwerer Straftaten (zum Beispiel Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch), »wenn dies im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichsteht«. Die Identitätsfeststellung für künftige Straftaten führt regelmäßig dazu, dass das DNA-Identifizierungsmuster in einer zentralen DNA-Analyse-Datei gespeichert wird, die dem BKA untersteht.
Gentests sollen nicht nur Verdächtige einer Straftat überführen. Auch bei der Aufklärung von schweren Verbrechen, bei denen nur eine sehr grobe Eingrenzung des Täterkreises möglich ist, werden Gentests verwendet. Die anhand bestimmter Kriterien definierten Betroffenen (etwa »alle männlichen Bewohner des Ortes« oder »alle Besitzer eines blauen PKW im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren«) werden zu einem Gentest »eingeladen«. Da gegen sie nicht einmal ein Anfangsverdacht vorliegt, ist die Teilnahme freiwillig. Massentests sind trotzdem mit erheblichem psychosozialem Druck verbunden, denn wer nicht teilnimmt, macht sich verdächtig. Deshalb war es eine richtige Entscheidung, dass auch für Massengentests ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wurde. Massengentests sind danach nur bei schweren Verbrechen zulässig und müssen durch einen Richter angeordnet werden. Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Aufklärung nicht mehr erforderlich sind, und dürfen nicht in der DNA-Datei beim BKA gespeichert werden.
Es ist absehbar, dass in Zukunft auch der codierende Bereich der DNA für die Strafverfolgung ausgewertet wird. So beschäftigen sich verschiedene Forschungsprojekte mit der Erstellung von DNA-Phantombildern. So können bestimmte Augen- und die Haarfarben bereits jetzt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Auch andere äußere Merkmale könnten künftig auf Basis des Erbguts rekonstruiert werden. In den Niederlanden wurden deshalb die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung von DNA-Tests in der Strafverfolgung gelockert, um auch äußere Merkmale aus Erbgutresten zu erschließen und diese Informationen für Fahndungszwecke zu verwenden. Allerdings sind bislang keine Fälle bekannt, bei denen diese neuartigen Methoden der Erbgutanalyse praktisch zum Einsatz kamen.
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Big Brother? Der Bürger im Blickfeld des Staates
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