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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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legales Verhalten handelt, das in anderen Bereichen anstandslos akzeptiert wird, etwa wenn es um steuerliche Sachverhalte geht.

Kostendruck gegen Datenschutz
     
    Die Krankenkassen, die Pflege- und die Rentenversicherung sammeln ebenfalls Daten des weitaus größten Teils der Bevölkerung. Auch hier reagieren viele Politiker mit Forderungen nach einer intensivierten Kontrolle auf den anhaltenden Kostendruck. Immer mehr Daten über den Gesundheitszustand, die erbrachten Pflege- und Behandlungsleistungen und zur individuellen Leistungsfähigkeit werden gespeichert. Bis 2003 übermittelten Ärzte und Zahnärzte ihre Abrechnungsunterlagen ausschließlich an die kassenärztlichen Vereinigungen. Durch diese Arbeitsund Funktionsteilung wurde verhindert, dass die Kassen Einblick in sensible Gesundheitsdaten erhielten. Im Jahr 2003 wurde das Abrechnungsverfahren im ambulanten Sektor geändert. Seither erfahren die Krankenversicherungen, wie es um den Gesundheitszustand der einzelnen Versicherten bestellt ist, denn ihnen werden die jeweiligen Behandlungsaktivitäten von den »Leistungserbringern«, also insbesondere von den Ärzten, mitgeteilt. Immerhin hat der Bundestag aufgrund der datenschutzrechtlichen Kritik klargestellt, dass die Krankenkassen diese Daten nur für Abrechnungs- und Prüfzwecke nutzen dürfen (strikte Zweckbindung). Ob sich diese gesetzlichen Begrenzungen auf Dauer aufrechterhalten lassen, ist angesichts der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und des damit verbundenen Reformdrucks eher fraglich.
    Durch Krankenhausentlassungsberichte und Pflegedokumentationen erhalten die Kassen weitere höchst sensible Informationen. So offenbaren Pflegedokumentationen neben Angaben zum Gesundheitszustand detaillierte Angaben über die Versorgungsbedürftigkeit der Pflegebedürftigen. Jeder Handgriff und jede Hilfestellung werden penibel festgehalten und gelangen – falls sie an die Versicherungen übermittelt werden – zur Kenntnis der Sachbearbeiter. Gegebenenfalls werden diese Informationen in automatisierte Dokumentenverwaltungssysteme eingestellt. Im Regelfall geht es nicht etwa um die Frage, wie den Betroffenen besser geholfen werden kann, sondern einzig und allein um die Kontrolle der Pflegedienste. Diese Streuung intimster Daten ist aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht hinzunehmen und muss gestoppt werden.
    Das Anliegen der Versicherungen, diese höchstpersönlichen Informationen auszuwerten, ist zwar nachvollziehbar, denn es geht ihnen auch darum, das Gesundheitssystem finanzierbar zu halten und die unrechtmäßige Inanspruchnahme und Abrechnung von Leistungen zu verhindern. Die dabei übermittelten Informationen gehen aber weit über das hinaus, was für Abrechnungszwecke wirklich erforderlich ist. Es ist wohl eine der wichtigsten Aufgaben des Datenschutzes, gerade diejenigen Menschen vor überbordender Kontrolle und Überwachung ihrer persönlichsten Lebensumstände zu schützen, die selbst kaum dazu in der Lage sind, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

ELENA – Datensammlung auf Vorrat?
     
    Die fürsorgliche Datenerfassung der Sozialbehörden geht über die reinen Sozialleistungen hinaus. Sie ist zum Beispiel auch mit dem elektronischen Einkommensnachweis (kurz ELENA, früher »JobCard«) verbunden. Projektziel ist ein System zur Verwaltung von Verdienst-, Entgelt- und Arbeitsbescheinigungsdaten für eine Vielzahl sozialrechtlicher Verfahren. Diese Daten, die auf einer Vielzahl von Einkommensdefinitionen aufbauen, sollen in einem gemeinsamen System zusammengeführt werden. Die Datensammlung soll die bislang vom Arbeitgeber zu bescheinigenden Daten (etwa Höhe von Entgeltzahlungen, Daten zu den Beschäftigungszeiten) enthalten. Die Bescheinigungen sollen danach nicht mehr von den Arbeitgebern erstellt, sondern durch eine Zentrale Speicherstelle elektronisch ausgefertigt werden. Dabei sollen die jeweils erforderlichen Daten nur im Bedarfsfall abgerufen werden und im EDV-System der jeweiligen Sozialbehörde elektronisch zur Verfügung stehen.
    Angesichts des Umfangs des geplanten zentralen Datenbestands stellt sich naturgemäß die Frage nach der datenschutzrechtlichen Bewertung. Zunächst ist zwar geplant, den Verwendungszweck gesetzlich auf die Erteilung der genannten Bescheinigungen festzulegen. Aber wird es bei dieser klaren Zweckbegrenzung bleiben? Eine seriöse Antwort fällt schwer, denn bereits jetzt hört man die Forderung, die Daten für einen völlig anderen Zweck, nämlich zur

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