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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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    Die Spannung stieg, während der Motor warmlief, die Säulen der Digitalanzeige für jeden einzelnen Zylinder in die Höhe wuchsen, der Öldruck abfiel – während der Motor brummte, das Flugzeug zitterte, alles dem kritischen Moment des Starts entgegenstrebte. Ich liebte das Gefühl. Es setzte sich zu gleichen Teilen aus der Vorfreude zusammen, gleich in der Luft zu sein, und dem Spaß am Fliegen selbst, der mich damals wieder und wieder zum Flughafen gelockt hatte.
    Das Außenthermometer zeigte elf Grad an. Gut. Schön kühl. Schwere Luft. Ich ging von der Bremse, und die Cessna setzte sich in Bewegung. Ich lenkte sie durch den Salbei auf die frisch geräumte Piste, steuerte mit den Bremsen, ließ sie geradeaus rollen und wendete auf der kreisrunden Fläche, die wir gerodet hatten. Nun standen wir gen Westen ausgerichtet. Die Sonne in unserem Rücken warf lange Schatten hinter die Büsche. Der kühle, würzige Sonnenaufgang der Hochebene. Weit vor uns, am Ende der Wiese, sah ich den Wacholder und die hohen Bäume dahinter, die unsere Begrenzung waren, unsere Messlatte.
    Cima hob beide Daumen. Ich überprüfte den Stand des Höhenruders ein letztes Mal, drückte den Hebel für die Drosslung komplett ein, warf einen Blick auf den Öldruck, und dann rührte und schüttelte sich das Biest, und ich rief: Gott ist groß! und ging von der Bremse.
    Ich weiß nicht, warum ich das rief. Möglicherweise war es mein letzter Satz in diesem Leben. Ich dachte nicht an Dschihad, ich dachte: Hig, das haben die Cessnatypen mit den weißen Laborkitteln nie versucht. Nie hätten sie gedacht, dass ihr kleines Flugzeug achtzig Jahre in der Zukunft eine Arche Noah für Schafe werden würde. Die Maschine rollte an, überwand die Trägheit, schien sich kurz zu zieren, und mir schoss durch den Kopf: Nie im Leben!
    Und dann zog sie an, fand Halt auf der Rollbahn, torkelte voran, die Bäume kamen näher, wurden dunkler, größer, und ungefähr auf halbem Wege spürte ich, wie die Räder sich lösten und wir abheben würden, und dann drückte ich den Bug nach unten, das Biest wollte abheben und in die Höhe steigen, aber ich hielt es niedrig, ich hielt es hart am Boden, damit es noch stärker beschleunigte. So schossen wir knapp über dem Erdboden dahin, und dann hörte ich Cima schreien, die ersten Bäume kamen auf uns zugerast. Ich legte den Hebel für die Klappen um und zog am Steuerknüppel, er flog wie von allein an meine Brust, und das Biest röhrte, der Bug schnellte nach oben, und das Flugzeug bäumte sich auf, geradewegs in den Himmel, und ich schickte ein Stoßgebet hinterher: Jetzt bloß nicht überziehen verdammt , der Warnton schrillte durchs Cockpit, die Nadel der Geschwindigkeitsanzeige dümpelte um die fünfundneunzig, das Warnsignal heulte, und die Lämmer fielen ein. Die seltsamen Gedanken, die einem kommen, wenn alles ins Trudeln gerät: Die Lämmer schreien in derselben Tonart, verdammt. In derselben Tonart wie das Warnsignal. Es klingt wie ihre Mutter.
    Anders als Cima. Die schrie einfach nur. Ein Mal. Ich schob den Steuerknüppel von mir, zog die Nase runter und betete um Geschwindigkeit, um Geschwindigkeit, und schon reagierte das Biest, beschleunigte wie eine Schwalbe, die zuschnappt, nachdem sie ein Insekt gejagt hat, und als wir uns mit hundert Sachen horizontal ausrichteten, warf ich einen Blick nach unten auf die Bäume und dachte: Das war kein halber Meter.
    Nicht gerade ein vorschriftsmäßiger Start. Das war so nicht vorgesehen, nicht einmal für kurze, weiche Startbahnen. So ungefähr musste unser Steigungsvektor über der Wiese ausgesehen haben:

    *
    Ich freute mich, am Leben zu sein. Ich stieß einen Schrei aus. Der Wacholder flog unter uns durch. Das Biest schoss über die Felskante fünfzehn Meter oberhalb der Bäume hinweg, wie aus freien Stücken, wie ein fliegender Teppich. Rutschte auf der anderen Seite wieder runter. Auch ein Weg, in den nächsten Traum zu gelangen. Cima strahlte, so wie ein kleines Kind strahlt, wenn es die Achterbahn im Six-Flags-Freizeitpark überstanden hat. Sie beugte sich rüber und kniff mir in den Arm.
    Siehst du, wir leben noch! Gut gemacht.
    Wir sind hellwach.
    Manchmal sagst du wirklich komische Sachen.
    Die gute Stimmung griff sogar auf die Lämmer über. Sie blökten nicht mehr,

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