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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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die verbrannte und verwüstete Stadt, die verkohlten Bäume, mit denen etwas nicht stimmte, die mich misstrauisch machten. Noch zehn Kilometer. Wir waren dreihundert Meter über dem Boden und näherten uns dem Flughafen, dem Tower, aus dem ich vor drei Jahren das Signal empfangen hatte, den Anfang einer Nachricht. Ich wählte die Frequenz – sie war immer noch in meinem GPS gespeichert – und setzte einen zweiten Funkspruch ab.
    Grand Junction Tower, Cessna sechs drei drei drei alpha sechs aus Südost in tausendachthundert Metern bereit zum Landeanflug.
    Ich wiederholte das. Dann das Wunder: ein Rauschen. Ein hörbares Audiogestöber. Aufgeregt schaltete ich die Rauschunterdrückung zu und funkte noch einmal.
    Cessna sechs drei drei drei alpha –
    Nicht gerade kristallklar, aber eindeutig. Da war sie! Eine Frauenstimme. Ein bisschen älter, ein bisschen heiser. Leicht amüsiert, gutmütig.
    Cessna sechs drei drei drei alpha, Wind zwei vier null aus Süd-Südost, Landeerlaubnis im direkten Anflug erteilt für Landebahn zwei neun.
    Ganz förmlich, formvollendet, so wie es im Lehrbuch steht, so wie früher. Spricht ins Mikro, ohne mit der Wimper zu zucken. Als wäre es ein ganz normaler Tag an einem ganz normalen Flughafen. Ich kann nicht mit Worten beschreiben, was es meiner Psyche antat, der Normalität zu lauschen. Auf einmal war es mir, als gingen hier ganz normale Betriebsabläufe vonstatten, als wäre meine Frau noch am Leben, und mein Hund auch, als wäre sie im siebten Monat und daheim in der Front Range. Als hätte ich mich vor drei Stunden von ihnen verabschiedet, nicht vor neun Jahren, und als bestünde die Möglichkeit, zurückzufliegen.
    Nicht einmal das war es, was mich misstrauisch machte. Es lag am Blinklicht, fast jeder Flughafen hatte so eins, hatte eins gehabt, ein rotierendes, grün-weißes Signal. Ich hatte es aus kilometerweiter Entfernung gesehen und mir nichts dabei gedacht. Aber dann, auf den letzten Kilometern, blinkte es wieder, pulsierte wie der Herzschlag eines lebendigen Wesens, und der krasse Widerspruch – die abgebrannte Stadt am Ende der Welt, das lebendige, pulsierende Ding, die gelassene Stimme der Fluglotsin – weckte schließlich mein Misstrauen. Die Haare in meinem Nacken stellten sich auf. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, warum, außer dass es mir merkwürdig vorkam. Sie hatten elektrischen Strom. Warum auch nicht? Hatten wir in Erie auch. Immer mehr Flughäfen waren mit Solar- und Windenergie betrieben worden. Das Blinklicht sollte bei Tageslicht und besten Sichtflugkonditionen eigentlich nicht eingeschaltet ein. Ich weiß es auch nicht, aber irgendwie machte es mich nervös.
    Ich ging in den Anflug. Ich drehte zwanzig Grad ab und richtete die Cessna für die Landung aus, und dann sah ich das lange Rollfeld für Jets in westlicher Richtung, das sich vor uns erstreckte wie eine Vision. Und glatt war es auch. Zumindest sah es von hier oben so aus. Es hatte nicht dieses holprige, gerissene, schlaglöchrige Aussehen der Pisten östlich der Rockies. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, es instand zu halten. Jedenfalls sah es aus einem guten Kilometer Abstand und im Sinkflug so aus. Ich drosselte die Geschwindigkeit, stellte die Landeklappen auf und ließ das Biest in der vorgeschriebenen Geschwindigkeit sinken. Es schien dankbar und erleichtert über die Rückkehr zu vergangenen Gepflogenheiten. Ich spürte, es hat eine Seele oder einen Verstand oder so was.
    Während wir ausschwebten und die Landebahn immer breiter und länger wurde und uns entgegenkam, konnten wir die langen Reihen aus Hangars sehen, einige eingedrückt, andere mit vom Wind abgerissenen Dächern. Wir sahen den Tower zu unserer Linken, die freitragenden, grün getönten, kugelsicheren Fensterscheiben. Wir sahen Flugzeugwracks zu beiden Seiten der Landebahn, ganz am Ende sogar einen großen Jet. So wie auf jedem Flughafen des Landes – die am Boden verankerten Flieger wurden vom Wetter ramponiert, rissen sich irgendwann los und kippten um, aber. In dem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
    Wir waren vielleicht noch vier Meter über dem Boden. Ich hatte die Geschwindigkeit gedrosselt, den Propeller im Leerlauf und auch sonst alles getan, was man in diesen letzten Momenten vor dem Aufsetzen tut, und ich machte mich bereit, den Steuerknüppel sanft in meine Richtung zu ziehen und die Maschine abzufangen. Und da traf es mich wie ein Schlag.
    Das Blinklicht, der Tower. Die Wracks an der Landebahn waren

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