Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
das AR- 15 , Cimas Rucksack und meinen, den Schlauch und die Handpumpe.
Wie viel wiegt ein Lamm?
Die kleine, gemischte Herde stand mit gesenkten Köpfen im Gras. Drei Lämmchen schüttelten Kopf und Ohren, grasten weiter. Eines stieß der Mutter in den Unterleib, wollte gesäugt werden. Bald würde sich ihr Leben ändern. Es wäre ein Wunder, wenn eins von ihnen den Winter überlebte.
Keine Ahnung, neun vielleicht?
Mal sehen. Du hast ein Mädchen und einen Jungen?
Sie lächelte. Einen Widder und eine Zibbe? Ja.
Wie in der Arche Noah. Los geht’s.
Wir wickelten eines der Kleinen in eine Stoffschlinge und wogen es gegen den Eimer ab. Es schwebte am Ast, wackelte mit den Ohren und spreizte die Beinchen mit den schwarzglänzenden Hufen, einen fassungslosen Ausdruck im kleinen Schafsgesicht. Ich leerte den Eimer, bis beide in der Schwebe waren. Acht Kilo.
Alles klar, wir nehmen sie mit. Sollte kein Problem sein, wenn wir ohne deinen Dad abheben.
Wirklich?
Es ist ohnehin ein Glücksspiel. Wir haben die Startbahn ausgebessert, die hohen Bäume am hinteren Ende gefällt. Laut Handbuch fehlen uns dreißig Meter. Aber die kennen das Biest nicht.
Knappes Nicken. Cima überblickte die Weide, die Schlucht. Wenn ich ein Maler wäre – sie war so schön. Vielleicht war es nicht sie allein, vielleicht war es der ganze Moment. In ihren dunkelvioletten Augen spiegelte sich das Grün, und ich dachte: Wenn wir morgen Früh abstürzen und verbrennen – was soll’s.
*
Wir entfachten ein letztes Abendfeuer, schauten zu, wie die tanzenden Flammen die Felsen zum letzten Mal erhellten, wir aßen. Hirsch und Kartoffeln, Gemüse, dazu tranken wir Tee. Löschten das Feuer mit einem Zischen und einer Dampfwolke. Hörten die Kühe muhen, die Blätter rascheln.
Wir hatten alles am Vorabend eingeladen, alles außer die Lämmer. Cima schlief auf der Weide bei ihren Tieren, lauschte dem Grasen ringsum. Am nächsten Tag führten wir die Lämmer am Strick stromaufwärts, trugen sie die Baumleiter neben dem tröpfelnden Wasserfall hoch. Sie blökten und strampelten. Die Mütter antworteten, folgten uns verwirrt bis ans Ende der Weide. Die Trauer unterströmt alles in unserer Welt, wie das Grundwasser. Oben setzten wir die Lämmer wieder ab, steif standen sie auf allen vier Hufen und schauten aus der Höhe auf ihr altes Leben hinunter. Und dann trabten sie hinter uns her.
Ein Lamm am Strick zu führen hat nichts damit zu tun, einen Hund an der Leine zu halten. Es war ein ständiger Austausch, ein ewiges Verhandeln. Voller Debatten, Konzessionen, plötzlicher Kapitulationen, voll Widerstand gegen die Vernunft. Sie sträubten sich, wir zerrten. Sie sprangen voraus, im Ernst, und wir rannten hinterher. Wir mussten lachen, es ging nicht anders. Es war die perfekte Ablenkung vom schmerzlichen Abschied von dem Canyon und allem, was er uns bedeutete. Schließlich nahm ich mein Lamm auf den Arm und trug es.
Als wir am Biest angekommen waren, fesselte Cima die kleinen Kerlchen fachmännisch, damit wir sie hinter den Sitzen zwischen unseren Rucksäcken verstauen konnten. Wir kletterten hinein, zogen uns die Gurte über die Schultern und ließen sie einrasten. Ich reichte ihr das Klemmbrett mit der Checkliste.
Du bist die Copilotin. Hatte schon lange keine mehr.
Ich bereitete den Motor vor, zog den schwergängigen Knopf aus dem Armaturenbrett, lauschte auf den einströmenden Treibstoff im Vergaser, drückte den Knopf wieder hinein. Noch einmal. Ich legte den Hauptschalter um. Das Brummen des beschleunigenden Kreisels. Ich drehte den Zündschlüssel, zog die Drosselung einen Zentimeter raus, stemmte meine Stiefel auf die Bremse und startete den Motor.
Zweifaches Husten, zwei halbe Propellerdrehungen, ich drückte die Drosselung rein, und die Maschine sprang an, zitterte und bebte. So wie wir alle, ich, Cima, die Lämmer. Ein sehr gefühlsbeladener Moment, wenn ein Kleinflugzeug zum Leben erwacht. Es ist, als stünde ringsum ein applaudierendes Publikum. Das Gefühl ist großartig und ein bisschen beängstigend. Ich zog den Hebel wieder raus, bis ein gleichmäßiges, leiseres, weniger dramatisches Brummen zu hören war und das Zittern und Rütteln nachließ. Während der Motor warmlief, beobachtete ich, wie die Nadel der Ölstandsanzeige in den grünen Bereich rutschte.
Okay, schrie ich. Gehen wir die Checkliste Vor dem Start durch.
Ich musste schreien. Ich hatte kein zweites Headset dabei. Wozu auch? Jasper hatte nie eins gebraucht.
Fahrwerk
Weitere Kostenlose Bücher