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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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und ich tanze auch nicht.
    In den Speisekammern der Häuser konnten Bangley und ich so gut wie kein Öl mehr finden. Sie müssen es während der letzte Monate getrunken haben, der Kalorien wegen. Im Keller des großen Bauhaus-Bungalows an der Piper Lane fand ich schließlich fünf Fässer Olivenöl. Versteckt hinter einer hastig hochgezogenen Mauer.
    Aber du hast gesungen. Wieder dieses selbstgefällige Grinsen. Jetzt sieht er noch fieser aus.
    Unten im Ofen brennt Kanadische Kiefer, das ideale Holz zum schnellen Anbraten. Das Öl spritzt, und ich stochere in den kleingeschnittenen Kartoffeln herum, bis die meisten Stücke den Pfannenboden berühren. Mit dem stählernen Pfannenwender in der Hand bücke ich mich und rüttele an der Klappe, die die Luftzufuhr regelt. Ich denke: Wäre ich aus anderem Holz geschnitzt, und wäre ich der Meinung, ich könnte diesen Ort ohne Bangley verteidigen, würde ich kurzen Prozess machen und ihn auf der Stelle erschießen. Wirklich? Vielleicht. Und dann würde ich seine Sticheleien vermissen. Vermutlich würde es sich anfühlen wie ein herber Verlust. Wir sind zu einem alten Ehepaar geworden.
    Ich glaube nicht, dass ich gesungen habe, sage ich schließlich.
    Doch, Hig, hast du. Und es war nicht gerade was von Johnny Cash. Er grinst.
    So als gäbe es für Bangley ein Gesetz, demzufolge man nichts anderes singen darf.
    Und was habe ich, bitteschön, gesungen?
    Er zuckt die Achseln. Verdammt, wenn ich das wüsste. Irgend so ein Mädchenkram. Aus dem Radio. Ich meine, mich erinnern zu können.
    Ich meine, mich erinnern zu können . Wie er dasteht mit seinem triumphierenden Lächeln und seinem schütteren, eine Woche alten Bart. Ich fluche. Ich fange zu lachen an. So ist es immer mit ihm: Er reizt mich, bis ich irgendwann lachen muss. Es ist einfach zu lächerlich, wie in meinem Kopf eine Sicherung durchbrennt, ein Schalter umgelegt wird, und ich nur noch hysterisch lachen kann. Aber wahrscheinlich ist es für uns beide besser so.
    Setz dich, Bangley. Hol dir einen Stuhl. Es gibt Löwenzahnsalat mit Basilikum und neue Kartoffeln au irgendwas ohne gratin .
    Siehst du?, sagt er. Genau wie in einer von diesen Shows. Wenn du keine halbe Tunte bist, bin ich ein Jude.
    Ich starre ihn an. Ich lache noch lauter.
    *
    Manchmal höre ich Musik. Ich habe mp 3 , CD, Vinyl, einfach alles. Ich habe meinen Hangar an den Hauptakku der ehemaligen Flughafenverwaltung angeschlossen, der von Windturbinen gespeist wird, deswegen ist die Stromzufuhr kein Problem. Ich muss nur in der richtigen Stimmung sein. Ich muss aufpassen, sonst katapultiert es mich in einen Zustand zurück, in dem ich nie wieder sein wollte. Es darf nichts sein, das ich früher mit ihr gehört habe. Wir hatten eine Schwäche für die glorreiche Zeit der Singer und Songwriter: Climbing Out Of this Bottle, Country Road, Whiskeytown, Topley und Sinead. Wir haben die Dixie Chicks geliebt, wer hatte das damals nicht. Amazin Rhythm Aces. Open Road, Sweet Sunny South, Reel Time Travelers. Rauflustige, geniale Blue-Grass-Combos und Nostalgie-Folkbands wie aus einer anderen Zeit. Damals fanden wir das herzergreifend. Aber spielen Sie das Zeug mal an einem wunderschönen Frühlingsmorgen, wenn die Hangartore offen stehen und ein einsamer Rotschwanzbussard über dem sich langsam erwärmenden Asphalt seine Runden dreht:
    And I remember your Honeysuckle scent I still adore
    I can’t believe that you don’t want me anymore …
    Oder der süßliche, heisere Bergtenor von Brad Lee Folk bei »Hard Times«:
    Head hung down and homeless, lost out in the rain …
    Ich hätte nie gedacht, mit vierzig ein alter Mann zu sein.
    Was immer geht, ist Blues. Aus Blues hat sie sich nie was gemacht. Ich tröste mich mit Lightning and Cotton, BB und Clapton und Stevie Ray. Ich puste »Dear Son« in der Version von Son Seal in die Prärie hinaus, bis die Kojoten unten am Ufer in mitleidiges Geheul ausbrechen und das Mundharmonikasolo neu interpretieren, dass sich die Balken biegen. Ihr Heulen und Fiepen geht mir durch Mark und Bein. Es klingt, als fänden sie die Musik schrecklich und schön zugleich. Was heißt, dass sie den Blues verstanden haben.
    *
    Nachts lege ich mich neben Jasper hinter die Böschung. Es ist Frühlingsanfang, entweder spät am Abend oder sehr früh am Morgen, denn schon kippt Orion rückwärts über die zerklüfteten Berggipfel, nicht weinend sondern stumm. Stumm und lautlos versucht er, den Stier zu erschießen, bevor der ihn zertrampelt.

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