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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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sogar Wölfe. Ich war nicht in der Stimmung, Menschen zu töten, kein bisschen. Nicht einmal in meiner Funktion als Bangleys Assistent.
    Ob angekommen schob ich das Gewehr flach auf die Kuppe und drückte mich in die kühle Erde, schlängelte mich voran, bis meine Augen über dem Grat waren.
    Ich entdeckte sie im Licht der Verandalampe. Einer zwei drei vier fünf … einszweidreivierfünf, taubeneinfachso … fünf ausgewachsene Männer, außer einem, der war kleiner, vielleicht jünger als die anderen.
    Scheiße.
    Unter großen Anstrengungen hatten wir im ersten Sommer einen Müllcontainer umgekippt, etwa dreißig Meter südlich vom Haus. Jetzt lag er auf der Seite, die Öffnung ein klaffendes, schwarzes Loch. Der Bach lief einmal um den Flughafen rum, der wie in ein Hufeisen gebettet lag. Das Ufer war unbewachsen und steil. Der perfekte Festungsgraben. Die einzige passierbare Furt endete an einem Trampelpfad, der bis zu diesem Haus führte, dem einzigen, das wir nachts beleuchteten. Sie sammelten sich ausnahmslos hinter dem Müllcontainer, in seinem Schatten, abgeschirmt vom Haus, in dem sie – keiner von ihnen war militärisch ausgebildet – die Gefahrenquelle und die reiche Beute vermuteten.
    Sie waren uns ausgeliefert wie Fische in der Regentonne. Oder wie die unglückselige Metapher für unglückselige Todgeweihte auch immer lautete.
    Ich töte Hirsche. Ich habe kein Problem damit, Hirsche zu töten. Zu häuten, zu schlachten, zu essen.
    Mein Herz klopfte jetzt, als wollte es blindlings aus meinem Brustkorb ausbrechen. Ich tastete an meinem Gürtel entlang und fand das Funkgerät, drückte dreimal mit dem Daumen auf den Knopf. Dann noch dreimal und noch dreimal. Dann fing ich an zu zählen. Bangley würde, noch bevor ich bei zweihundert wäre, hinter mir die Böschung raufkriechen, auf dem Rücken zwei Gewehre, ein M 4 -Sturmgewehr und eine leichte Scharfschützenwaffe, vermutlich eine AR- 10 Kaliber . 308 . Ich zählte vor mich hin, schob das Gewehr über die Sandsäcke auf der Kuppe, lehnte mich gegen die Schulterstütze und schätzte die Entfernung ein. Dreißig Meter. Wir hatten die Distanz bis auf den Zentimeter genau ausgemessen.
    Hunderteinunddreißig hundertzweiunddreißig
    Sie hatten sich hingehockt und berieten sich im Flüsterton, aber ich konnte sie nicht hören. Eine leichte Brise blies mir kühl in den Nacken, sie wehte in westlicher Richtung, von mir hin zu ihnen. Der Wind trug Geräusche. Ganz langsam entsicherte ich das Gewehr, hörte es laut klicken, zu laut, so kam es mir vor, ich zuckte zusammen, und dann schob ich den kleinen Hebel vor bis auf Automatik.
    Hundertneunundsiebzig hundertachtzig
    Nicht nur, dass sie keine Profis waren. Sie hockten beisammen wie ein einziges großes Ziel, aus dieser Distanz füllte schon ein Einziger von ihnen das Zielfernrohr aus, mehr als das sogar. Sie waren Bauern, Versicherungsvertreter, Automechaniker. Wahrscheinlich. Und sie hockten da arglos zusammen. Aber. Ich ließ meinen Blick durchs Zielfernrohr schweifen, indem ich nur ganz leicht die Schulter verschob, ich scannte sie ab und sah, dass sie bewaffnet waren, jeder Einzelne von ihnen. Das Bild im Zielfernrohr zuckte im Rhythmus meines klopfenden Herzens. In diesem Moment waren sie Mörder. Ich meine, in diesem Moment unserer gemeinsamen schuldbeladenen Geschichte. Wer vermochte noch zu sagen, wie viele oder auf welche Art. In diesem Moment bereiteten sie einen bewaffneten Überfall vor. Auf die vermeintlichen, ihnen unbekannten Überreste einer Familie, die es geschafft hatte, in dem Haus mit der Außenleuchte über der Veranda zu überleben. Und.
    Da wurde mir die Grausamkeit schlagartig klar: sie in Relation zu dem Haus, zu der fiktiven Familie, ich in Relation zu ihnen, und dass sich überhaupt einer von uns in dieser Lage wiederfand. Denk nicht so viel, Hig. Du wirst uns noch alle umbringen , schimpfte Bangley in solchen Situationen.
    Zweihundertfünf zweihundertsechs. Kein Bangley. Was zur Hölle. Ist noch nie vorgekommen, kein einziges Mal, dass er nicht bei zweihundert hier war, allerspätestens.
    Ich schob das Visier hoch und drehte meinen Kopf nach links. Kein Schatten. Keine Gestalt, kein Bangley. Scheiße. Ich schaute wieder durchs Zielfernrohr. Mein Finger am Abzug zitterte. Zitterte, fing an zu zittern.
    Sie berieten sich. Ich legte mit meiner zitternden linken Hand den Hebel um, der das Zielfernrohr löste, und zog es aus der Halterung. Ich legte es zur Seite, hatte auf einmal freie

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