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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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Jasper?
    Ich nehme die Schatulle mit der Angel aus dem Schlitten, damit er weiß, er hat jetzt offiziell frei.
    *
    Ein flaches Gewässer direkt oberhalb einer felsigen, scharf abfallenden Kante, davor die Stromschnellen. Ein umgestürzter Baum siebt das Wasser. Kein Felscanyon, aber die großen, dunklen Bäume leben noch und ragen auf wie dunkle Mauern, die Blautannen und die Fichten. Die Douglasfichte beugt sich herunter, ihre Gliedmaßen sind überwuchert vom Spanischen Moos, das baumelt und sich im Wind bewegt. Ich frage mich, wie alt das Moos ist. Es ist trocken und fast gewichtslos, es zerkrümelt, wenn man es berührt, aber oben in den Bäumen flattert es wie traurige Wimpel.
    Ich setze die Angelrute zusammen und fädele die Schnur ein, während Jasper auf einem flachen Stein liegt und mich beobachtet. Es handelt sich um den einzigen von der Sonne beschienenen Findling, und er beobachtet mich von seinem Sonnenflecken aus, während sein Schatten über die runden Kieselsteine fließt wie Wasser. Die Königskerzen vom letzten Jahr ragen am Ufer auf wie abgebrannte Fackeln. Im selben Sonnenlicht sehe ich einen Schwarm frisch geschlüpfter Mücken, fein wie Nebelschwaden.
    Ich ziehe Stiefel und Hose aus und steige in die leichten Turnschuhe mit Gummisohle, die ich seit Jahren benutze. Ich habe noch mehr davon, nur für den Fall, dass das Profil sich abnutzt. Bei meinem letzten Ausflug auf den Parkplatz des Wal-Mart habe ich fünf Paare in meiner Größe mitgenommen. Nicht alle so leicht wie dieses, aber dennoch zum Angeln geeignet. Jedes Paar hält ungefähr drei Jahre, so dass ich versorgt bin bis. Bis. Ich kann es mir nicht vorstellen. Die Bilder wollen sich in meinem Kopf einfach nicht zusammenfügen. Die Jahre zu multiplizieren und durch den Lebenswillen zu teilen, scheint die falsche Herangehensweise zu sein, rein buchhalterisch betrachtet. Wir werden uns auf dieses Bächlein beschränken. Wir werden das Vorfach an die Trockenfliege knüpfen, und dann blasen wir darauf, weil es Glück bringt. Wir beschränken uns auf diesen Versuch und auf den nächsten, und wenn wir Glück haben, wird darüber der Tag vergehen.
    Und auf das Abendessen. Ich möchte es Jasper zurufen, aber er schläft. Er kennt das Wort, und es würde ihn zu sehr aufregen, deswegen werde ich ihn erst rufen, wenn ich einen Fisch gefangen habe. Der erste ist immer für ihn.
    *
    Ich angelte für ein paar Stunden. Ich warf den Köder wieder und wieder aus. Ich lief bis zur Biegung und angelte im flachen Wasser, das sich silbern einfärbte, als die Sonne ihren höchsten Punkt überschritten hatte und aus Westen schien. Der Strom verfärbte sich, ich sah silberschwarze Schlieren wie aus Quecksilber und Öl. Dann schob sich die Sonne über den Bergkamm und ließ uns im kalten Schatten stehen. Das Wasser reflektierte nur noch den klaren Himmel, und ich konnte wieder die Felsen an den ruhigeren Stellen erkennen. Grüne Steine und das Wasser blau, wo es sich an den Stromschnellen staute. Aus irgendeinem Grund merkte Jasper selbst im Schlaf, wenn ich mich mehr als ein paar Meter entfernte. Er stand auf, folgte mir und rollte sich etwa fünfzig Meter weiter in einer sandigen Mulde zusammen. Ich ließ die Fliege dran, knüpfte eine Fasanenfeder an die Perle und fing innerhalb weniger Minuten vier riesige Karpfen. Ich ließ die beschwerte Nymphe über den Grund schleifen, während die Trockenfliege oben auf der Oberfläche trieb, und dann hielt sie inne, ein kurzes Zucken, nicht einmal ein Ruck, und ich wusste, dass der Karpfen die Nymphe verschluckt hatte; ich zog, um den Haken festzubohren. Die Karpfen wehrten sich nicht mit der Kraft der Forelle, sondern mit der mürrischen Sturheit eines Maultieres, das die Hufe in die Erde stemmt. Weder flohen sie flussaufwärts, noch flüchteten sie unter die Zweige eines toten, ins Wasser gestürzten Baumes. Sie weigerten sich einfach, sich von der Stelle zu bewegen, was keinen Spaß machte. Allerdings machte ja kaum noch etwas Spaß, und irgendwann bewunderte ich sie für ihre Gleichmut. Für ihre beharrliche Weigerung, vom Universum ausgelöscht zu werden.
    So wie wir.
    Als ich den dicken Fischkörper in Händen hielt und den Kopf gegen einen Stein schlug, dachte ich: Kumpel, ich danke dir, ich weiß, wie es sich anfühlt, noch nicht bereit zu sein.
    Ich pfiff. Jasper mochte so gut wie taub sein, aber etwas in dem Pfiff kitzelte sein Hirn, tiefer als sein Gehör, und er entrollte sich und stand ein wenig zittrig auf,

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