Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
lauschen dem Wind da oben und dem Wasser da unten. Ich verschränke meine Arme hinter dem Kopf und schaue zu, wie der Große Wagen immer heller strahlt. Ich fühle mich rein. Rein und gut.
*
Morgens wache ich mit steifen Gliedern auf. Jasper und der Schlafsack sind von Frost bedeckt. Auch meine Wollmütze. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ohne die Plane zu schlafen. Aber nun ist es auch egal, in ein paar Minuten wird das Feuer brennen.
Dir muss kalt sein, Junge. Komm her. Ich zupfe an seiner Decke und beuge mich über ihn. Er ist schwer und rührt sich nicht. Er wird immer steifer, das Aufstehen fällt ihm immer schwerer.
Komm schon, Kumpel, gleich wird es besser. Gleich mache ich ein Feuer. Komm schon.
Er ignoriert mich. Ich zerre an seiner Decke und schlage sie zurück, streife sein Ohr. Meine Hand hält inne. Sein Ohr ist eiskalt. Ich fahre mit der Hand über seine Nase, reibe über seine Augen.
Jasper, ist alles in Ordnung? Ich reibe und reibe. Ich reibe und massiere sein Nackenfell.
Hey, hey.
Ich packe sein Nackenfell und schüttele ihn. Hey, wach auf.
Ich stütze mich auf die Unterarme und rolle mich zu ihm rüber, schmiege mich an seinen Rücken und decke ihn zu.
Hey, ist schon gut. Schlaf ein bisschen.
Schlaf.
Ich ziehe ihn an mich, steif und zusammengerollt, wie er ist, ich decke ihn zu und lasse mich zu Boden sinken. Ich atme. Ich hätte etwas merken müssen. Wie schwer ihm der Marsch gefallen ist. Die Tränen, die ich gestern nicht hatte, fangen zu fließen an. Der Damm bricht, und sie fließen.
Und was soll ich jetzt tun? In ein paar Minuten Feuer machen.
Jasper. Mein kleiner Bruder. Mein Herz.
Ich mache Feuer. Ich lege Stöcke auf das Moos und zündele. Ich werde die letzten beiden Fische braten. Ich werde einen davon essen. Ich werde.
*
Wir sind weit gereist.
Nun wirst du zum Weg
Und ich gehe immer weiter
Über dich.
*
Ich bewege mich den ganzen Tag nicht. Ich werfe immer wieder Holz aufs Feuer. Ich lasse ihn in die warme Decke eingewickelt liegen, nur seine Nase schaut raus. Es ist sein Anblick, wie er dort liegt, von dem ich mich nicht lösen kann.
Das ist jetzt der einzige. Der einzige Anblick. Den ich. Morgen werde ich. Ich weiß nicht, was.
ZWEITES BUCH
I
I ch tue nichts. Den ganzen Tag lang. Ich mache kein Feuer. Brate keine Fische. Ich lasse sie an der Schnur von einem Ast hängen. Lockmittel für Bären und Pumas. Mir doch egal. Ich stehe nur zum Pinkeln auf, und um einen Schluck Wasser aus dem Bach zu trinken, das nach der eisigen Nacht noch kälter ist. Der Pegel ist gesunken, der umgekippte Baum hängt auf Steinen gebettet über dem Wasser. Also. Rückzug. Mein Herz ist mit dem Wasserpegel gesunken.
Ich krieche wieder in den Schlafsack und lege mich neben ihn. Döse ein. Schiebe mein Bein unter seinen Rücken, um sein Gewicht zu spüren. Fühlt sich plötzlich anders an, hölzern, aber immer noch wie er. Nachmittags wieder ein Schluck Wasser. Kühler Tag. Die Sonne scheint voll auf den Bach, auf uns beide, drei, vier Stunden lang, dann ist sie wieder weg. Die Fische fangen an zu stinken. Also.
Die Plane bleibt zurückgeschlagen, ich warte auf die Nacht. Wie ging das Lied noch mal? I die before I wake, feed Jake, he’s been a good dog … Vielleicht war es besser so. Klar, dass ausgerechnet er an gebrochenem Herzen sterben musste. Besser so. Wie die Dunkelheit sich wieder in die Schlucht ergießt, den Bach bedeckt, uns bedeckt mit ihrem schwarzen Leichentuch. Und doch. Es ist keine Lösung. Gar keine. Nichts ist entschieden, nichts zu Ende gebracht. Der Große Wagen rollt zurück an seinen Platz. Eine Drehung noch. Eine Drehung, und nichts ist mehr, wie es war. Nie wieder. Nicht einmal die Sterne. Sogar die verblassen, kollabieren, ballen sich zusammen, brechen auseinander. Ich schließe meine Augen. Was da drinnen los ist. Was da zappelt, was da wie ein blinder Fisch durch den Schmerz schwimmt, für immer und ewig. Was da lebt, was bleibt. Was sich erneuert, die Liebe und den Schmerz lebendig hält. Die Liebe ist das Flussbett, das sich mit Schmerz füllt. Es füllt sich jeden Tag aufs Neue mit Tränen.
Irgendwann in der Nacht, wenn die Zwillinge hoch über dem Canyon stehen, denke ich an den Schlitten und das Gewehr. Was damit zu tun ist. Ich spüre Jaspers Gewicht auf meinem Knie, das ich unter ihm verkeilt habe, und ich denke: Nein, damit wäre er nicht einverstanden. Er würde sagen: Was? Er würde gar nichts sagen. Er hat seinen Posten nie
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