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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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Erlaubnis zum Überflug. Aus Gewohnheit, voller Hoffnung. Triple drei alpha drei aus östlicher Richtung auf neuntausend Fuß erbittet Erlaubnis zur Durchquerung Ihres Luftraums mit Kurs auf …
    Worauf hatte ich Kurs genommen? Auf Junction vielleicht? Mit einem Abstecher nach Süden, zum Uncompahgre-Plateau, wo ich früher jagen ging. Einfach nur so.
    Mit Kurs auf …
    Ich will sagen: Mit Kurs auf Etwas Völlig Verdammt Anderes. Ich fliege weiter.

II
    Ein Ruck, ein Aufbocken. Und noch einmal. Es reißt mich nach links, die linke Tragfläche senkt sich ab. Ich umklammere den Steuerknüppel, stabilisiere das Flugzeug und behalte den Höhenmesser im Auge. Wie ich das liebe! Der Knüppel in meiner Hand steht ruhig, das Flugzeug ist gerade ausgerichtet, und die Nadel des Höhenmessers schlägt nach rechts aus. Aufwind. Die Bäume werden kleiner, der Sitz drückt sich von unten gegen mich, als würden wir von einer riesigen Hand gehoben. Thermische Aufwinde am späten Vormittag, wenn die dunklen Wälder das Sonnenlicht absorbieren und Wärmeschwaden ausstoßen. Die ungebetene Beschleunigung ist blitzschnell und unerwartet und ein bisschen beunruhigend.
    Ganz ohne eigenes Zutun gewinne ich fünfhundert Höhenmeter. Fliege hoch oben über Carbondale im Roaring Fork Valley. Hier ist nichts verbrannt, ich sehe Bachläufe und grüne Wiesen. Ich muss blinzeln. Sieht nach einer Viehherde aus. Nach einer alten Rasse, schwarzbunt, rotbunt. Es kann nicht anders sein, kein Tier sonst hat diese Farben. Verdammt. Verwilderte Kuhherden, die an ihrem alten Weidegebiet hängen und wie durch ein Wunder von den Wölfen verschont geblieben sind. Ich würde runtergehen und nachsehen, aber ich will nicht an Höhe verlieren, will nicht vor dem nächsten Berg Treibstoff für den neuerlichen Aufstieg vergeuden.
    Eine Ranch. Vieh. Der Flusslauf voller Schmelzwasser. Ein Wohnhaus im Schatten windgepeitschter Pappeln und Schwarzweiden. Eine aufgerissene, halb zerstörte Straße windet sich vorbei. Wenn ich die Augen zusammenkneife, kann ich mir einbilden, im Hof eine Person stehen zu sehen. Jemanden, der sich vornüber beugt, um eine Streumaschine an einem Traktor zu befestigen. Jemanden, der denkt: blöder Rücken, immer noch so steif . Der den Kaffeeduft riecht, der durch die offene Küchentür weht. Und noch jemanden, der Wäsche zu einem leuchtend hellen Fleck in der Landschaft aufhängt. Ein jeder hat seine Sorgen und ahnt nicht, wie glücklich er sich schätzen kann. Ich blinzele noch einmal, um so was wie Normalität zu sehen. Aber.
    Normal sind doch jetzt die Abwesenheiten.
    Huntsman’s Ridge. Ich erkenne den langen Felssturz, auf dem wir früher Ski gefahren sind und den wir endlos nannten. Damals kam er uns so vor. Heute wäre der perfekte Tag. Kompakter, knirschender Firn. Lawinengefahr bei Null.
    Die Hälfte der Zitterpappeln tragen Blätter, sind noch am Leben. Links unten die zerklüfteten Felswände der Raggeds. Ich nicke, ich fliege weiter.
    Die Landschaft wird weicher, sanfter. Für die nächsten Kilometer nichts als Zitterpappelwälder. Ich klopfe auf die Tankanzeige.
    29 , 3 Gallonen. Nicht mehr genug, um nach Hause zu fliegen. So einfach.
    So einfach rauscht man über die Kante.
    *
    Ich fragte mich: Fühlt sich so das Sterben an? So ganz allein zu sein? Sich an eine Liebesgeschichte zu klammern und abzudriften?
    *
    Wir wären fast hier hingezogen. Paonia. Falsche Schreibweise von Peony. Melissa hatte die Nase voll von der Schule, vom Direktor, vom Bezirk. Sie wollte was Neues ausprobieren. Anbau von Biogemüse vielleicht? In diesem Winkel des Staates lief das Baugeschäft nur schleppend, aber ich hätte uns schon irgendwie über Wasser gehalten mit nachgebauten Antikmöbeln und Einbauschränken und dann und wann einem Auftrag für ein ganzes Haus. Als ich die Gegend zum ersten Mal sah, dachte ich: Sieht aus wie die Landschaft einer Modelleisenbahn. Sie sieht immer noch so aus. Ich lasse das Biest sinken.
    Ich drossele die Treibstoffzufuhr und gleite über den Südhang auf die Grand Mesa zu, die Wipfel der Zitterpappeln nur einen guten Meter unter dem Flugzeugbauch. Der Wald immer noch grün, die blassen Stämme immer noch imposant, das Farnkraut am Boden immer noch ein dichter Teppich, in dem sich zweifellos Hirsche verstecken. Wir schießen über eine Felsnase hinweg. Und dann tut sich das breite Tal auf: ein grünes Flusstal zwischen zwei hohen Gebirgszügen, die durch einen sanft geschwungenen Bergsattel miteinander

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