Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
Rohren zurückgeworfen wird. Mr. Ververs leuchtendes Gesicht, er ist wie immer in Jeans und T-Shirt und deutet eine Verbeugung an.
Erst denke ich, gleich sieht sie mich, und das wird ihr nicht gefallen.
Aber sie nimmt mich nicht einmal wahr. Ich bin gar nicht da.
Sie sieht überwältigt aus.
Sie trägt ihr Kleid, ein leuchtend roter Strich. Er hat sie tatsächlich dazu gebracht, das Kleid anzuziehen. Sie ist barfuß, der Saum umspielt ihre roten Fußnägel.
Sie berührt ihr Haar, hoch aufgetürmt auf ihrem Kopf, eine Haarnadel lugt aus dem Dutt hervor, und dann tritt sie vorsichtig die letzte Stufe herunter.
Dann sehe ich ihr Gesicht, zögerlich, vorsichtig, und mir wird klar, wie wichtig es mir ist, dass ihr das hier gefällt. Ich sehe zu Mr. Verver, wie er sie beobachtet, so erwartungsvoll. Ich denke, bitte, Dusty, bitte.
Sie zögert nur eine Sekunde, dann jagt auf einmal alles über ihr Gesicht, ihre Gefühle explodieren darin wie ein Feuerwerk, es ist wunderschön. So habe ich Dusty noch nie gesehen, dass sie sich ihre Gefühle so anmerken lässt. Uns alles sehen lässt.
Ich schaue wieder zu ihm, dieser Ausdruck in seinem Gesicht, die Lachfältchen um seine Augen, und ich muss daran denken, wie er vor all dem war. Ich merke, wie sehr er sich verändert hat. Ich hatte schon ganz vergessen, wie er sonst gewesen war.
Ich dachte, das hier wäre alles für sie, aber als ich ihn ansehe, wie er den Arm um sie legt und sie glücklich macht, erkenne ich, dass es eigentlich für ihn ist.
Und ich habe Dusty in diesem Moment sehr lieb, weil es ein Geschenk für ihren Vater ist, ein Geschenk für ihn, und ich habe sie schon dafür lieb, dass sie es ihm schenkt.
Mr. Verver tanzt mit ihr, und ich rühre die Bowle um, fahre mit der Kelle unzählige schaumige Achten. Dieses Moonlight-Drive-Lied läuft und ich frage mich, wann Mr. Verver es gefunden hat und ob er stundenlang danach gesucht hat, um es mir vorspielen zu können.
Wenn er es nicht für sie spielt. Das geht mir plötzlich auf, er spielt es bestimmt für sie. Das habe ich doch wohl viel mehr verdient!
Es ist ein seltsames Lied, voller Echos und Geheimnisse.
Dusty dreht sich, und er biegt sie hintenüber, so tief, dass sich ihr Haar löst und die Spitzen über die Bodenfliesen wischen.
Die beiden, es ist ein Zauber um sie, und keiner redet mehr von Evie.
Sie ist einfach weg.
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13.
D ie Abschlussfeier der achten Klasse steht an, es gab Überlegungen, sie abzusagen, aber jetzt findet sie doch statt.
Tags zuvor haben nach einem anonymen Hinweis fünfhundert Freiwillige den Wald hinter der Schule durchkämmt. Niemand hat etwas gefunden, jedenfalls nichts Nennenswertes. Lagerfeuerreste, benutzte Kondome, tote Katzen.
Tara sagt, bei der Polizei machen alle Überstunden, sie müssen den ganzen Tag am Telefon Bekloppte abwimmeln, wie den Mann, der auf der Versicherungstagung war und sagte, er hätte Shaw in der Woche möglicherweise gesehen, er habe einen verwirrten Eindruck gemacht und sei im Gebüsch hinter dem Tagungshaus herumgeschlichen.
Heute versuchen alle, nicht daran zu denken. Eine Menge Leute scheint wirklich nicht daran zu denken. Meine Mutter sitzt mit Ted auf der Tribüne, als ich mein Zeugnis entgegennehme, und sie sieht sehr zufrieden aus in ihrem sogenannten Feine-Damen-Kleid, dem lilanen mit den Rosenknöpfen. Sie lächelt die ganze Zeit, ihre Zähne strahlen mich an. Sie kann gar nicht aufhören.
Wir stehen da, und die Sonne knallt so heiß auf mein Kleid, das Rosenmuster brennt sich in mich ein, ich presse die Hand darauf und glaube zu versengen.
Das Zeugnis in den schwitzigen Händen zusammengerollt, halte ich unwillkürlich nach den Ververs Ausschau, obwohl sie natürlich nicht da sind. Mein Gehirn begibt sich an düstere Orte, und ich muss immer wieder an Mr. Shaw denken und was seine Liebe wohl gerade mit Evie macht, und was sie schon getan hat.
Hier bin ich, mit geradem Rücken in ordentlicher Formation, und was geschieht mit Evie, welche brennende Liebe verbrennt sie gerade?
Ich will gar nicht daran denken, ich will nicht, dass es so schön ist.
Aber wenn es das ist?
Wenn man es aus dem Augenwinkel betrachtet, oder von einem anderen Platz als der Mitte unseres Gehirns aus, hat es doch eine schreckliche Schönheit.
An diesem Abend und dem danach und dem danach sitze ich stundenlang mit Mr. Verver zusammen. Es sind mystische und unheimliche Stunden. Beim Klang der Grillen und der quietschenden Gartenstühle und dem
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