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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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Haare flogen, und sie stolperte mit ihren schmalen, gebräunten Knöcheln in den Stöckelschuhen ihrer Mutter herum.
    Später kam Mr. Verver nach Hause. Dusty hat sich so gefreut, dass sie das Kleid noch einmal anzog.
    Mr. Verver sagte, sie sähe darin aus wie ihre Mutter, wie aus dem Gesicht geschnitten, und Dusty brach in Tränen aus und blieb Stunden in ihrem Zimmer. Er musste seine ganze Überredungskunst aufbringen, stundenlang hat er seinen ganzen Charme eingesetzt.
    Später spielten Evie und ich Dusty, bastelten uns Kleider aus unseren Badetüchern, warfen uns die Ecken über die Schultern oder wickelten sie um unsere schmalen Hüften, machten einen Schmollmund und versuchten uns an Laufstegposen.
    »Ich erinnere mich an die Fotos«, sagt Mr. Verver jetzt und lächelt, und dann wird sein Lächeln zu einem Strahlen.
    »Lizzie«, sagt er, »ich brauche dich.«
    Mein Herz schlägt sofort höher. »Ja, Mr. Verver.«
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagt er, was natürlich nicht ganz dasselbe ist, und ich schäme mich.
    »Okay.«
    »Hast du Lust, bei einem ganz besonderen Ereignis dabei zu sein?«, fragt er mich, den Schalk in den Augen. Das ist wieder der Mr. Verver von früher.
    »Klar habe ich Lust!«, antworte ich.
    »Dann komm mal mit.« Er hält mir den Arm hin. Ich hake mich bei ihm unter, ich nehme seinen Arm und lege meinen Arm um seinen, und er ist so stark und so warm.
    Wir sind im Keller, und Mr. Verver holt Kartons mit Dekomaterial hervor und die große Bowleschüssel, in der uns Mrs. Verver bei Kinderpartys immer Seven-Up mit Fruchteis serviert hat.
    »Was machen wir denn?«, frage ich und hüpfe vor lauter Aufregung fast.
    »Wir bereiten die Gala der Saison vor.« Er krempelt sich die Ärmel hoch. »Das einfache Volk geht wohl zu einem traurigen kleinen Highschool-Ball. Aber das ist ja Kinderkram.«
    Und so entwirre ich die Schnüre der roten Papierlaternen aus dem »Sommer«-Karton, die Mr. Verver letztes Jahr bei der Party zum vierten Juli im Garten aufgehängt hat. Es sind auch noch ein paar Luftballons übrig und silberne Luftschlangen und eine ausklappbare Discokugel, die man an die Decke hängt.
    Einmal, als wir klein waren, sagte Evie, sie würde gern mal ein brennendes Holzhaus sehen, wie in dem Little House – Buch, das sie gelesen hatte, und da hat Mr. Verver auf dem Flohmarkt ein altes Puppenhaus gekauft und Zeitungspapier hineingestopft und es auf der Veranda angezündet. Wir schrien vor Freude, als die Flammen aus dem Schornstein loderten und das Dach einstürzte. Mrs. Verver hörte gar nicht mehr auf zu schimpfen, aber das war uns egal, und ihm auch.
    Er lächelt mich an, als ob er auch gerade daran denkt, und schmückt die Bar mit blinkenden Lichterketten. Es läuft Musik, alte Lieder, die ich nicht kenne, aber Mr. Verver kennt sie alle auswendig, und er singt leise mit, fröhlich, als wären wir in unserer eigenen Welt.
    »Was, wenn sie nicht runterkommt?«, frage ich.
    »Wird sie schon.«
    Eine halbe Stunde lang ist er oben bei ihr im Zimmer, und ich bereite in der Küche die Bowle vor, aber wir haben kein Fruchteis, also nehme ich einfach Butter-Pekannuss-Eis, und das macht wunderschöne goldene Schlieren. Ich würde am liebsten den Finger hineintauchen, aber das tue ich nicht, und ich versuche mitzubekommen, was da oben vor sich geht, höre aber nichts. Ich schleiche sogar ein paar Stufen die Treppe hinauf, aber ich kann nur Mr. Ververs tiefe Stimme hören und ein paar Schluchzer und Jammerlaute, die von Dusty kommen müssen.
    Ein Teil von mir will sie gar nicht sehen. Ich muss immer noch daran denken, was sie zu mir gesagt hat, oder fast gesagt hat. Denkt sie, ich habe mir das mit den Zigaretten nur ausgedacht? Ich werde schon wieder wütend, bis mir einfällt, dass sie recht hat.
    Und ein Teil von mir denkt, wenn sie nicht kommt, gehört dieser Abend vielleicht mir, mir ganz allein.
    Bald höre ich sie jedoch reden und irgendwann sogar lachen, das erste Mal seit Wochen. Ich renne die Stufen wieder hinunter, nehme die Bowleschüssel von der Arbeitsplatte und rutsche auf der Kellertreppe fast aus.
    Er kommt zuerst und sagt, der Ehrengast wird sofort erscheinen. Wir lachen und warten, und er stößt mit dem Kopf an ein altes Schild, auf dem »Herzlichen Glückwunsch« steht.
    Was sie sieht, als sie die Stufen herunterkommt: so viel Zauber und Glanz, rot und weiß erleuchtet, ein Strauß Gartenblumen, cremiges Goldweiß in der Bowleschüssel. Die Musik, die von den Stützpfeilern und

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