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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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würde.«
    Ich war mir ziemlich sicher, dass diese Leute Sammler waren. Menschen, die Kinder sammelten. Ich hatte schreckliche Geschichten über sie gehört, und wenn nur ein Teil davon stimmte, waren sie die Letzten, denen ich noch einmal begegnen wollte.
    »Das war knapp«, sagte Leela, als wir weitergingen. »Manchmal bist du doch ganz nützlich.«
    »Ein einfaches Danke hätte gereicht«, sagte ich.
    Das war typisch für Leela, mehr ließ ihr Stolz nicht zu.
    »Ich hätte dich zurücklassen können«, sagte ich.
    »Dann würdest du dich langweilen. Außerdem bist du viel zu anständig«, sagte sie grinsend.
    Ich grinste zurück. »Täusch dich nicht.«
    Die Nacht verbrachten wir am Waldrand, wo wir über die Felder blicken konnten und unser letztes Essen verdrückten.
    »Ich möchte zu gern wissen, was die Entführer für mich verlangt hätten«, sagte Leela nachdenklich und biss krachend in einen Froschschenkel.

31
    Der Morgen weckte uns mit Regen, der sich anfühlte wie kalte Eisenspäne. Am dunstigen Himmel leuchtete schwefelgelb die kurzatmige Sonne und versuchte mal wieder durch die dichten Wolken zu dringen. Umsonst!
    Von nun an machten wir einen Bogen um die verlassenen Dörfer. Lieber stapften wir durch den Morast, als noch einmal in so eine Lage zu kommen.
    In der Nähe erhob sich eine Stadt aus dem Nebel. Das musste Wolfsburg sein, eine der ersten Städte, die nach der Großen Katastrophe aufgegeben worden waren. Ein Fluss zerschnitt Wolfsburg in zwei Hälften. Eine zerstörte Brücke hatte die Stadtteile einstmals verbunden. Aus dem Dunst schälten sich große Gebäude, in denen Scharen schwarzer Vögel hausten.
    »Lass uns doch mal hingehen«, schlug Leela vor. »Vielleicht finden wir was Brauchbares.«
    »Nein«, wehrte ich ab. »In Wolfsburg hat es nach der Großen Katastrophe ein Blutbad gegeben. Die Bewohner haben sich gegenseitig abgeschlachtet. So was hinterlässt Spuren.«
    »Wahrscheinlich spuken die Geister der Toten da rum«, spottete Leela.
    Ich blieb stehen und sah sie an: »Du nimmst nichts ernst, was? Du musst aus allem einen Witz machen. Du weißt nicht …«
    »Ja, ja!«, unterbrach sie mich. »Ich weiß nichts, während du das Leben kennst. Ich bin ja auch nur eine verwöhnte Senatorentochter.«
    Grummelnd ließ ich sie stehen.
    In großem Abstand voneinander marschierten wir weiter. Leela hatte ihre Arme fröstelnd um ihre Schultern geschlungen.
    »Es wird immer kälter«, hauchte sie und stieß beim Sprechen kleine Dampfwölkchen aus.
    »Anscheinend liegt Wolfsburg in einer Kältezone. Das wusste ich nicht«, sagte ich.
    »Ich verstehe gar nicht, warum ich mit dir gehe. Du hast von nichts eine Ahnung«, schimpfte Leela.
    »Ich bin ja auch nur ein dummer Soldat«, gab ich wütend zurück.
    Wieder schwiegen wir uns an, bis Leela nach einer Weile anfing zu zittern. »Mir ist so kalt«, sagte sie. Dann begann sie zu husten. »Wir müssen uns irgendwo aufwärmen«, sagte Leela leise. »Ich kann nicht mehr.«
    »Da drüben«, rief ich und zeigte auf eine Holzhütte ohne Fenster, die an einer Seite statt einer Wand mit löchrigen Stoffbahnen abgedeckt war. Anscheinend hatte sie schon einmal jemandem als Unterschlupf gedient. Vor der Hütte stand ein verwittertes Haltestellen-Schild.
    Im Inneren waren Reste eines alten Lagerfeuers. Ich breitete unsere Decken auf dem Boden aus und wickelte Leela darin ein. Sie klapperte mit den Zähnen und konnte kaum noch sprechen. Ihr Husten wurde schlimmer, und am Abend fing sie an zu phantasieren. Ich bekam Angst, dass sie sterben würde. Ich wischte ihr den Schweiß von der Stirn. »Du darfst nicht sterben«, sagte ich leise und wiederholte diesen Satz wieder und wieder.
    Eisiger Wind pfiff durch alle Ritzen. Ich musste ein Feuer machen, sonst würde Leela erfrieren. Glücklicherweise hatte ich noch die Streichhölzer von Bertha in der Tasche. Ich riss ein paar morsche Bretter aus der Wand, schnitt mit dem Messer ein paar Späne ab und zündete sie an. Bald hatte ich ein Feuer in Gang gebracht, beißender Rauch wallte durch die Hütte und ließ meine Augen tränen. Ich legte mich neben Leela, um sie zusätzlich zu wärmen. Ständig dämmerte ich weg, nur um wieder hochzuschrecken, und einmal war es mir, als hörte ich jaulende Stimmen im Wind. Ich bildete mir ein, jemand würde draußen lauern, um Leela zu holen. Um wach zu bleiben, sang ich lautstark ein Soldatenlied. Da ich nur eins kannte, wiederholte ich es wieder und wieder.
    Am Morgen ging es

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