Das Ende der Welt (German Edition)
Sie würden kurzen Prozess mit mir machen. Ich wünschte nur, ich könnte Leela noch einmal sehen, ein letztes Mal mit ihr reden. Plötzlich fuhren wir langsamer. Vor uns stand ein Armeejeep mit geöffneter Motorhaube, daneben drei Offiziere, die uns winkten, anzuhalten. Donard unterhielt sich mit ihnen. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber das war auch nicht nötig, denn auf einmal standen überall Bewaffnete, die mit Maschinengewehren auf uns zielten.
»Terroristen!« Das Wort tobte wie ein Hurrikan durch die Reihen der Soldaten, die kopflos vom Wagen sprangen und nach ihren Pistolen griffen. Doch sie waren längst umzingelt, so dass ihnen schließlich nichts anderes übrigblieb, als aufzugeben und die Hände zu heben.
»Ihr Feiglinge!«, zeterte Donard mit Schaum vor dem Mund. Er stand im Jeep und fummelte seine Pistole aus dem Halfter, bis ihm einer der Angreifer auf die Hände schlug, worauf er enttäuscht seufzte und sich in seinen Sitz fallen ließ. Während Catos Leute zusammengetrieben wurden, nahmen uns die Terroristen die Ketten ab. Ich rieb meine schmerzenden Handgelenke und sah mir die Angreifer genauer an: Sie trugen bunt zusammengewürfelte Uniformen, viele waren in meinem Alter.
Barnabas stand neben dem Anführer und redete auf ihn ein. »Wo ist Leela, du Verräter?«, schrie ich und wollte mich auf ihn stürzen, da bekam ich einen Schlag gegen den Kopf und versank in einem tiefen schwarzen Loch.
41
Durst weckte mich. Jemand musste meinen Hals mit einer kratzigen Decke ausgepolstert haben. Ich lag auf dem Rücken, tastete mich hoch und stützte mich an der Wand ab. In meinem Kopf hämmerte es wie verrückt. In einer Ecke stand ein Krug mit fauligem Wasser, den ich gierig halb leer trank. Dann sah ich mich um. Graue, unverputzte Wände, kein Fenster, eine mit Fliegendreck verklebte Glühbirne, eine verschlossene Stahltür: eindeutig eine Gefängniszelle. Ich lehnte mich gegen die Wand, rutschte langsam runter und vergrub den Kopf in den Händen. So saß ich eine ganze Weile und brütete vor mich hin. Als sich ein Schlüssel im Schloss drehte, schreckte ich hoch. Die Tür öffnete sich quietschend, und eine lange Gestalt huschte wie ein Insekt herein.
»Barnabas«, sagte ich matt. Statt zu antworten, hockte er sich an die Wand gegenüber und sah mich an. »Weißt du, wo du bist?«, fragte er nach einer Weile.
»In Catos Gefängnis?«, fragte ich.
Barnabas schüttelte den Kopf, und dann passierte etwas Merkwürdiges, und ich dachte, ich würde den Verstand verlieren oder sie hätten mir eine Droge ins Wasser getan. Barnabas nahm die Perücke ab und zog sich langsam den Schnurrbart von der Oberlippe. Der Mann, der mir schließlich gegenüberhockte, hatte zwar Ähnlichkeit mit seinem Steckbrief, andererseits aber auch nicht. Die Gesichtszüge waren viel weicher, der Mund kein grausamer Strich, die Augen nicht so stark hervorquellend.
»Burger!«, flüsterte ich und ballte die Hände. Eine glühend heiße Welle drohte mich in die Bewusstlosigkeit zu reißen. Ich kämpfte dagegen an.
»Du fragst dich sicherlich, was die Verkleidung soll«, sagte Burger lächelnd. Und dann, ohne meine Antwort abzuwarten: »Tarnung! Ich verkleide mich hin und wieder als Honigbiene.«
»Als was?«, presste ich hervor.
»Du kennst doch diese ausgestorbenen Tierchen, oder?«
»Häh?«, machte ich und fragte mich, wer von uns beiden den Verstand verloren hatte.
»Ich flattere wie eine Biene von einer Blume zur anderen. Sammle hier ein paar Informationen, dort ein paar und trage am Ende des Tages alles zusammen. Und wenn ich genug gesammelt habe, steche ich zu.«
In mir regte sich die alte Wut auf Burger, der so viele Unschuldige auf dem Gewissen hatte.
»Ich bin nicht das Monster«, sagte Burger. »Das Monster ist die Armee. Du solltest doch mittlerweile wissen, wie die Maschine funktioniert. Die Armee füttert sie mit falschen Informationen, und sie spuckt ein Feindbild aus. Cato braucht einen Widersacher, damit er sich als Retter präsentieren kann.«
»Was habt ihr mit mir vor?«, wollte ich wissen.
»Das entscheiden wir, sobald wir wissen, auf wessen Seite du stehst.« Er sah mich prüfend an. »Weiß ich, ob Cato dich nicht geschickt hat? Ob das nicht alles inszeniert ist, der Anschlag, deine Flucht? Vielleicht bist du ausgesandt, um mein Vertrauen zu erschleichen.«
Ich war verwirrt, müde und vermisste Leela.
»Es geht ihr gut, sie ist bei uns und wird dich bald besuchen«, sagte er
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