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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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zittrigen Knien auf. Ich ahnte, wohin er mich bringen würde.
    »So, du hast dich also hinter meinem Rücken der Armee in die Arme geworfen«, sagte der Zar lauernd, als ich vor seinem Tisch stand. »Du weißt sicher, wie traurig mich deine Entscheidung macht. Ich hatte gehofft, du hättest in uns eine neue Familie gefunden, mein Sohn, und jetzt willst du uns schon wieder verlassen, wo wir uns doch gerade erst kennenlernen? Bin ich nicht wie eine Mutter zu euch?«
    Ich versuchte ein trauriges Gesicht zu machen, aber es gelang mir nicht.
    »Warum bist du nicht zu mir gekommen?«, fragte der Zar freundlich, doch seine Augen blieben kalt. »Wir können über alles reden.«
    Ich nickte: »Ja, aber …«, begann ich. Der Zar schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ihr jungen Leute seid so eigensinnig. Anstatt Mutter um Rat zu fragen, rennt ihr mit geschlossenen Augen auf einen Abgrund zu.« Er sah mich prüfend an. »Ich bin gespannt, wie du das wiedergutmachen willst.«
    »Ich könnte …«, versuchte ich zu sagen, wurde aber wieder vom Zaren unterbrochen. »Du könntest die doppelte Gebühr an mich zahlen. Das heißt, ich bekomme sechzig Prozent«, brüllte er plötzlich und sprang auf. Ich machte einen Schritt rückwärts und prallte gegen einen seiner Männer. »Das ist eine gute Idee, Junge!«, sagte der Zar und kam um den Tisch herum auf mich zu. »Du weißt, was sich gehört. Dann habe ich mit meiner Erziehung bei dir doch alles richtig gemacht.«
    Ich knirschte mit den Zähnen. Was übrig blieb, würde niemals reichen, um die Schlepper zu bezahlen. Da konnte ich ebenso gut sofort desertieren.
    »Hinweg«, sagte der Zar und wedelte mit der Hand. Zwei Wächter schleiften mich an den Armen nach draußen und gaben mir lachend einen Tritt in den Hintern.
    In der Baracke versuchte ich mit Leela zu reden, aber sie lag auf ihrem Bett und hatte mir den Rücken zugekehrt.

40
    Im Morgengrauen kamen sie mich holen. Leela klammerte sich an mich und schrie die Wachen an, die sie brutal wegstießen. Die Bruderschaft trieb alle Freiwilligen wie Vieh zusammen, kettete uns aneinander und verfrachtete uns auf einen LKW, der mit laufendem Motor vor dem Tor stand. Ich hatte mich nicht mal von Leela verabschieden können. Hoffentlich bringt Barnabas sie zum Sammelpunkt mit, dachte ich verzweifelt. Während das Fahrzeug halsbrecherisch über die Sandpiste jagte, hielten wir uns aneinander fest, um nicht runterzufallen. Sie hatten mich an einen Jungen in meinem Alter gekettet, der Mischka hieß. Er war blass und fluchte die ganze Zeit. »Verdammt! Worauf habe ich mich da eingelassen?«
    »Weißt du, wo sie uns hinbringen?«, fragte ich ihn.
    »Ich habe gehört, nach Süden, weil Cato dort einen Vorstoß unternehmen will.«
    Ich hoffte nur, dass ich auf niemanden aus meiner alten Einheit stoßen würde.
    Während unserer zweitägigen Fahrt wandelte sich die Landschaft. Die Wüste wich der Steppe, diese der Savanne, dichte Gräser säumten die Straße. Dann kamen die ersten Bäume, die anfangs noch vereinzelt, bald in kleinen Gruppen zusammenstanden, als würden sie, aneinander gelehnt, Schutz suchen. Bald tauchten die ersten kleineren Wälder auf, die immer dichter wurden und uns wie dunkle Wolken begleiteten. Der LKW versank hin und wieder im sumpfigen Boden. Mehrmals mussten wir absteigen und ihn rausschieben, wobei uns die durchdrehenden Räder mit Matsch bespritzten. Am Abend des zweiten Tages erreichten wir den Stützpunkt, der als Sammelpunkt für die neuen Rekruten diente.
    Ein Feldwebel empfing uns mit lautem Gebrüll. »Ihr nichtsnutzigen Würmer. Ich werde euch bis auf die Grundmauern schleifen und dann wieder aufbauen. Ich werde euch den letzten Rest Menschlichkeit austreiben und euch zu skrupellosen Mördern machen. Ihr werdet mit Lust für Cato töten.«
    Wir ließen alles über uns ergehen wie einen eiskalten Schauer. Als der Feldwebel unsere Reihen abschritt, hatte ich das Gefühl, er würde bei mir besonders lange stehen bleiben.
    »Wann nehmen sie uns die Ketten ab?«, fragte ich Mischka leise, als der Feldwebel weg war. Er lachte. »Gar nicht. Nicht mal an der Front.« Ich sah ihn ungläubig an. »In der letzten Zeit sind zu viele abgehauen, das Risiko will die Armee nicht eingehen.«
    Ich verfluchte Barnabas. Er musste das gewusst haben. Geld hatte ich auch noch nicht gesehen. Vermutlich hatte er es sich längst mit dem Zaren geteilt.
    Mischka versuchte mich zu trösten: »Kopf hoch, vielleicht überlebst du

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