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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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»Keine Ahnung. Aber sie hatten sich länger nicht gesehen. Und weil beide Single sind, haben sie beschlossen, ein großes Event daraus zu machen. Ich habe Rain angerufen. Sie waren um halb sieben im Dojo’s zum Essen verabredet, um acht wollten sie ins Kino und danach tanzen gehen. Chloe ist weder erschienen, noch hat sie abgesagt. Nichts.«
    »Wann hatten sie das ausgemacht?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung«, sagte Reena, »ich habe nicht danach gefragt.«
    »Es sieht ihr gar nicht ähnlich«, sagte Alex, »absolut untypisch.«
    »Das ist alles«, sagte Reena. »Wir konnten nichts herausfinden. Wir haben die Polizei nicht angerufen …«
    »Würden wir aber«, fügte Alex an. »Wenn ihr es für richtig haltet.«
    »Ja, auf jeden Fall«, sagte Reena, »aber eigentlich wollen wir nicht.« Auf die Polizei war kein Verlass, außerdem waren wir als Minderjährige ständig in illegale Aktivitäten verstrickt. Momentan handelte es sich um Rauchen und Alkoholkonsum. »Nach dem Telefonat mit Rain beschlossen wir, noch einen Tag zu warten, bevor wir die Nerven verlieren. Tja, und am Montag haben wir dann die Nerven verloren«, erzählte Reena lachend, »und dann ist uns eingefallen, dass ihr Detektivinnen seid und dieses Büchlein habt und so. Deswegen haben wir uns gedacht …«
    »Wir übernehmen den Fall«, sagte Tracy, der kleine Profi mit den Doc Martens, dem orangen Minikleid und der zwei Nummern zu großen, schwarzen Lederjacke. »Wir werden sie finden. Und weil sie eine Freundin ist, werden wir euch keine Rechnung schicken. Aber …« – sie sah erst mich an, dann Reena – »Claire und Kelly sollten im Laden zukünftig den Angestelltenrabatt bekommen. Sie haben sich nie darüber beschwert, dass sie immer den vollen Preis bezahlen und wir anderen so gut wie gar nichts. Dabei haben sie überhaupt kein Geld. Es wäre nur fair.«
    »Angestelltenrabatt ist nicht mehr drin«, sagte Reena, »für niemanden. Dem wurde ein Riegel vorgeschoben. Aber ihr kriegt zwanzig Prozent. Und meine ewige Dankbarkeit.«
    Tracy sah mich an. Ich nickte. Wir sahen Kelly an. Kelly war einverstanden. Wir sahen Reena an.
    Wir hatten uns geeinigt.
    Wir würden Chloe finden.
    »Am Donnerstagabend habt ihr sie also zum letzten Mal gesehen«, sagte Tracy. »Wir sollten das noch mal durchgehen.«
    Reena biss sich auf die Lippe. »Nun ja«, sagte sie, »Alex und ich haben ferngesehen. Und …«
    »Was habt ihr gesehen?«, fragte Kelly.
    Reena sah Alex an.
    »Love Boat«,
sagte Alex. »Und danach
Fantasy Island

    »Wir haben also ferngesehen und einen Joint geraucht, und ich glaube, ich habe Cornflakes gegessen …«
    »Lucky Charms«, verbesserte Alex sie. So langsam machte ihm die Sache Spaß.
    »Und dann kam Chloe rein und sagte hallo, guten Abend, was man eben so sagt. Sie sah ein bisschen, na ja, betrunken aus, ihre Augen waren ganz rot und, wie sagt man noch … glasig. Sie hatte glasige Augen.«
    Glasige Augen,
notierte ich mir.
Lucky Charms.
    »Sie hat sich eine Schüssel geholt und zu uns gesetzt und mitgeguckt. Nach ein paar Minuten ist sie aufgestanden und hat gesagt … was hat sie gleich gesagt?« Reena sah Alex an.
    »›Das reicht‹«, zitierte Alex, »sie hat gesagt: ›Das reicht. Ich halte den Blödsinn nicht mehr aus.‹ Und dann ist sie schlafen gegangen. Dachten wir jedenfalls.«
    »Ich glaubte, sie meint die Serie«, sagte Reena nachdenklich, »aber jetzt …« Sie schloss die Augen und runzelte die Stirn. »Ich weiß auch nicht. Ich will wissen, wo sie ist. Ich muss es unbedingt, unbedingt wissen.«
    Ein Zittern huschte über ihr Gesicht, als würde sie gleich zu weinen anfangen. Sie schluckte.
    »Hat sie ihre Schlüssel mitgenommen?«, fragte Tracy.
    Schlüssel,
schrieb ich auf. Gute Frage.
    »Äh, also, ja«, sagte Reena. »Hat sie. Das ist mir aufgefallen, als ich ihre Sachen durchwühlt habe. Die Schlüssel waren nicht da.«
    Neben
Schlüssel
schrieb ich:
mitgenommen.
Tracy schaute in mein Notizbuch. Sie nahm mir den Stift aus der Hand und schrieb:
gegangen, nicht mitgenommen.
Ich begriff erst viel später, dass sie Chloe meinte.
    Ich überflog meine Notizen und ergänzte den Punkt
Lucky Charms,
so gut ich anhand der Erinnerung an den Werbespot konnte: Rosa Kleeblatt. Grünes Hufeisen. Gelbe Raute. Blauer Stern. Orangener Mond. Lila Herz.
     
    Wir verabredeten uns für später. Reena musste zu einer Personalversammlung in den Secondhandladen. Alex musste sonstwohin. Kelly und Tracy und ich blieben in der Bar

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