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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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klingeln, während wir das Kleeblatt betrachteten. Ich sagte:
Beim Tätowieren habe ich von dir geträumt. Von heute Nacht. Ich habe es nur für dich gemacht.
Ich bot ihm mein blutiges, zerschrammtes Herz dar.
    Bitte,
sagte ich,
greif zu. Es gehört dir.

[home]
    28
    E s war Sonntag, und ich hatte um neunzehn Uhr meine übliche Verabredung mit Claude. Er klingelte um neunzehn Uhr vierzehn. Es gab keinen Türöffner – hätte es einen gegeben, wäre ich niemals dort eingezogen –, und ich musste die Treppe hinuntersteigen, um ihn ins Haus zu lassen. Claude trug ein Fußballtrikot und war verschwitzt.
    »Sorry«, sagte er, »das Spiel hat länger gedauert.«
    Ich sah ihn an. »Du spielst Fußball?«
    Claude lächelte schüchtern. »Jeden Sonntag«, sagte er. »Seit ich ein kleiner Junge war.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich«, sagte Claude. »Jede Woche. Ich glaube, ich habe dir davon erzählt.«
    »Ich weiß nicht …«, sagte ich. »Bist du sicher?«
    Claudes Lächeln wurde breiter und entblößte seine Zähne. Er hatte wirklich ein gutes Gebiss.
    »Wie dem auch sei«, sagte er, »es tut mir sehr leid. Ich hatte keine Zeit zu essen und bin am Verhungern.«
    »Wonach immer dir der Sinn steht«, sagte ich, »ich lade dich ein.«
    Claude entschied sich für das Lokal der Erleuchteten Meisterin. Wir unterhielten uns über Paul. Wir bearbeiteten auch noch andere Fälle, aber die waren längst nicht so interessant. Der Fall des missverstandenen Managers – ein Typ hatte uns angeheuert, damit wir bewiesen, dass er sich keine zwanzig Riesen unter den Nagel gerissen hatte, wobei ich überzeugt war, dass er es getan hatte. Ich hatte aber kein allzu schlechtes Gewissen, da er den Großteil seiner Beute für unsere Bezahlung aufwenden musste; offenbar hatte das Universum beschlossen, ihn als Goldesel zu benutzen. Dann war da der Fall des verwirrten Akademikers – ein Professor wollte wissen, ob seine Frau ihn betrog. Normalerweise übernahm ich derlei Fälle nicht, aber diesmal sagte ich zu, weil er mir eine lächerlich hohe Summe anbot. Großer Fehler. Ich versicherte ihm immer wieder, dass seine Frau treu war, aber er ließ mir stets aufs Neue hohe Beträge zukommen, damit ich weitermachte. Er hatte geerbt, aber nicht genug für diese Marotte. Ich würde ihn bald loswerden müssen – solche Arbeitsverhältnisse konnten allzu leicht ins Unangenehme kippen. Vielleicht sollte ich, um die Sache aus der Welt zu schaffen, mit ihm und seiner Frau reden. Vielleicht auch nicht. Und dann waren da noch die Miniaturpferde.
    Und Paul.
    »Ich möchte, dass wir uns in Vollzeit mit Paul beschäftigen«, sagte ich zu Claude. »Vergiss alles andere. Das ist jetzt unser einziger Fall.«
    »Gern«, sagte Claude. »Was kann ich tun?«
    »Gute Frage«, sagte ich.
    Ich bestellte Huhn mit Zitrone. Claude entschied sich für Rindfleisch mit Brokkoli und Wan-Tan-Suppe. Er trug immer noch sein Fußballtrikot.
    »Mit wem spielst du eigentlich?«, fragte ich.
    Claude hielt inne, eine halbe Teigtasche im Mund.
    »Wie bitte?«
    »Fußball«, sagte ich. »Mit wem spielst du?«
    »Mit ein paar Freunden aus Berkeley«, sagte er. »Hauptsächlich ausländische Studenten. Die wenigsten Amerikaner können mit Fußball etwas anfangen.«
    »Wir bist du dazu gekommen?«, fragte ich.
    »Meine Eltern stammen aus Europa«, erzählte Claude. »Mein Dad ist halb Franzose, halb Nigerianer. Meine Mutter hat französische und vietnamesische Vorfahren, die über Oslo nach Europa gekommen sind. Wir sind nach Berkeley gezogen, als ich noch ein Kind war.«
    »Wow«, sagte ich. »Deine Eltern sollten ein Restaurant eröffnen. Ich würde sofort hingehen.«
    »Nun ja«, sagte Claude, »meine Eltern sind Akademiker. Meine Mutter unterrichtet Philosophie und Literaturwissenschaften, und mein Vater forscht auf dem Gebiet der Physikphilosophie. Er darf seine Stellenbeschreibung selbst formulieren.«
    »Ich würde da trotzdem hingehen«, sagte ich.
    Claude nickte. »Ich wahrscheinlich auch«, sagte er. »Solange jemand anders am Herd steht. Meine Eltern haben nie wirklich, äh, klassische Elternaufgaben übernommen.«
    »Meine auch nicht«, sagte ich. »Dann bist du amerikanischer Staatsbürger? Und ich betrüge dich die ganze Zeit um die Sozialleistungen?«
    »Du ›bezahlst‹ mich« – Claude zeichnete die Anführungsstriche in die Luft – »ohnehin schwarz, und ja, ich bin seit meinem fünften Geburtstag Amerikaner.«
    Wir aßen schweigend weiter.
    »Geschwister?«, fragte

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