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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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ich. Insgeheim hoffte ich immer noch auf die Gründung eines nigerianisch-vietnamesisch-französisch-norwegischen Restaurants durch einen von Claudes Verwandten.
    Claude seufzte. »Nein. Keine Geschwister.«
    Wir beendeten das Essen, und ich wies Claude an, weiter in Sachen Pokerchip zu ermitteln. Es war nicht viel, aber es war immerhin etwas.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er nach dem Essen.
    »Klar«, sagte ich, »natürlich.«
    »Was wir aus fremden Quellen beziehen«, schrieb Jacques Silette, »sind immer Informationen aus zweiter Hand, Nachrichten von gestern. Was wir aus uns selbst heraus wissen, entspricht allerdings natürlich genauso selten der Wahrheit.«

[home]
    29
    A m nächsten Tag lief ich durch Chinatown zum Buchladen City Lights an der Columbus Avenue. Mike stand an der Kasse. Er war Mitte vierzig, hatte langes, graues Haar und lückenlos mit Bandlogos und -namen tätowierte Unterarme: The Misfits, The Cramps, The Clash. Ich hatte ihn vor fünf Jahren bei den Ermittlungen zum Fall des kleptomanischen Okkultisten kennengelernt, und obgleich wir nie vereinbart hatten, in Kontakt zu bleiben, war es so gekommen, denn Mike arbeitete in dem Buchladen, der meiner Wohnung am nächsten war.
    Mike glaubte, sein Sarkasmus verschleiere seine Verbitterung, dabei legte er sie stattdessen umso schonungsloser offen.
    »Claire!«, sagte er und wirkte leicht spöttisch wie immer, wenn er mich sah, so als sei meine Existenz ein amüsanter Scherz. Was möglicherweise stimmte.
    »Hey, Mike«, sagte ich, »wie behandelt dich das Leben?«
    »Besser als manche Leute«, sagte er, »und schlechter als andere.«
    »Das ist die richtige Einstellung«, sagte ich. »Habt ihr dieses neue Buch mit dem Titel
Ein Outback voller Spuren?
Der Untertitel lautet:
Die Geschichte der australischen Kriminalistik.
«
    Mike sah im Computer nach. »Das mit Paul Casablancas tut mir echt leid«, sagte er. »Wart ihr nicht mal zusammen?«
    »Kurz«, sagte ich.
    Mike runzelte die Stirn. »Ich habe euch immer als Einheit betrachtet.«
    »Wir waren befreundet«, sagte ich.
    »Ich habe gehört, dass du die Ermittlungen leitest«, sagte Mike. »Wir haben es nicht da. Ich kann es für dich bestellen.«
    »Ich leite meine eigenen Ermittlungen«, sagte ich, »keine anderen. Ja. Das wäre schön.«
    »Aber verstößt das nicht gegen die guten Sitten?«, fragte er. »Ein Arzt operiert sich schließlich auch nicht selbst. Es ist noch gar nicht lieferbar.«
    »Tja, kann sein«, sagte ich und dachte daran, wie ich mir zu meinen schlimmsten Zeiten die eine oder andere Wunde selbst vernäht hatte. »Ich mache es trotzdem. Aber ich dachte, es ist letzte Woche erschienen.«
    »Lydia kanntest du auch, oder? Es ist schrecklich«, sagte er. »Ich kannte sie auch. Alle beide.« Er tippte etwas ein. »Die Veröffentlichung verzögert sich. Aber ich bestelle es, sobald es lieferbar ist. Ich werde ein Exemplar für dich zurücklegen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du sie kanntest«, sagte ich.
    »Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen. Sie ist ja nicht gerade die typische Leserin. Aber wir waren beide in der Musikszene unterwegs, du weißt schon, damals. Vielleicht hast du von meiner Band gehört. The Percolators.«
    »Oh«, sagte ich, »wow. Das warst du?« Ich hatte nie von der Band gehört. »Und zu der Zeit war Lydia bei den …?«
    »Bei den Tearjerkers«, sagte Mike. »Ihre erste Band. Oder ihre zweite. Du weißt schon, die Band, die ziemlich bekannt wurde. Wir sind ein paarmal im Ritz als deren Vorgruppe aufgetreten. Damals hat Lydia Typen wie mich nicht mit dem Arsch angeschaut. Nicht, dass sich daran was geändert hätte …«
    »Was für Typen hat sie denn mit dem Arsch angeschaut?«, fragte ich.
    »Na ja, damals, als ich mit ihr zu tun hatte, in den achtziger und neunziger Jahren, ist sie nur mit Rockstars ins Bett gegangen. Und mit reichen Typen.«
    So reden Männer immer über Frauen wie Lydia. So, als hätten sie ein Anrecht darauf, mit ihr ins Bett zu gehen, bloß dass die Frau fälschlicherweise einem anderen den Vorzug gab.
    »Echt?«, fragte ich. »Mit wem denn?«
    Mike zuckte die Achseln. »Ich kannte keinen von denen. Aber weißt du, wer richtig viel mit ihr zu tun hatte?«, sagte er. »Delia Shute. Diese Künstlerin, die so schrille Barbiepuppen für das MOMA bastelt. Letztes Jahr hatte sie dort eine riesige Ausstellung.«
    Ich nickte. Ich hatte den Namen gehört.
    »Die müsste Bescheid wissen. Hat Lydia sie nicht erwähnt?«
    »Doch«, sagte

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