Das Ende der Welt
Gewerbekomplex, der von leeren Grundstücken umgeben war. Leer, wenn man von einsamen Möbelstücken und Glasscherben und dem Unrat absah, der sich auf städtischen Freiflächen ansammelt: Unkraut, Schmutzwäsche, benutzte Kondome, Fast-Food-Verpackungen, nicht identifizierbare Plastik- und Lederfetzen.
Vor dem Haus standen drei Autos, von denen zwei nicht mehr fahrtüchtig aussahen: ein 1985 er Mercedes und ein 1991 er Oldsmobile. Die Motorhaube des Mercedes war nicht ganz geschlossen. Wahrscheinlich gehörte der kleine Honda Baujahr 98 Bix Cohen. Ich hielt vor dem Haus, holte mein Handy heraus und rief ihn an.
»Wer bist du noch mal?«, fragte er nach einer Weile.
»Claire DeWitt«, wiederholte ich. »Ich bin Privatdetektivin. Ich glaube, du kannst mir bei einem sehr wichtigen Fall weiterhelfen.«
»Wow«, sagte er. »Bist du sicher, dass du mit dem Richtigen sprichst? Ich bin nicht gerade wichtig.«
»Stell dein Licht nicht unter den Scheffel«, sagte ich. »Womöglich hältst du den Schlüssel zum Ganzen in Händen.«
»Na ja, dann«, sagte er zögerlich. Er glaubte mir kein Wort. Die meisten Leute würden die Wahrheit selbst dann nicht erkennen, wenn sie Arschtritte von ihr bekämen und dafür auch noch bezahlt würden. Ich konnte es ihnen nicht übelnehmen. »Und du willst dich bald mit mir treffen?«
»Bald im Sinne von jetzt«, sagte ich. »Jetzt sofort.«
Bix kam herunter. Er traute mir nicht über den Weg. Cleverer Kerl. Er war Anfang dreißig. Er trug eine Brille, schwarze Jeans und ein T-Shirt. Ich hatte vermutet, dass er mit Büchern zu tun hatte, und ich hatte richtig gelegen: Er war Buchhändler. Er öffnete die Haustür nur einen Spaltbreit, als könnte mich das vom Hereinkommen abhalten.
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte er. »Die Bände sind nirgendwo sonst erhältlich?«
»Nein«, sagte ich.
»Ich weiß auch nicht«, sagte er. »Eigentlich wäre es mir lieber, wir würden uns an irgendeinem öffentlichen Ort treffen.«
»Natürlich«, sagte ich, »das kann ich verstehen. Aber eigentlich wäre es mir lieber, die Bücher gleich zu sehen.«
Wir sahen einander an. Ich mochte Bix. Er besaß mehr Rückgrat, als ich gedacht hatte.
Ich holte meine Brieftasche heraus und machte mich daran, Hundertdollarscheine herauszuziehen.
Beim ersten zuckte er noch nicht. Beim zweiten regte sich etwas, er trat von einem Bein aufs andere. Beim dritten holte er tief Luft.
»Wie läuft das Buchgeschäft?«, fragte ich.
»Gut«, sagte Bix, ohne das Geld aus den Augen zu lassen.
Ich hielt ihm zwei Hunderter hin. Sie waren glatt und druckfrisch. Solche Details sind wichtig. Mit einem Haufen zerknitterter Fünfer und Zehner kommt man nicht weit.
»Zweihundert, um sie mir anzusehen«, sagte ich. »Drei, und sie gehören mir.«
Er nahm die zweihundert. »Okay«, sagte er, »alles klar. Komm rein.«
Ich folgte ihm die Treppe hinauf.
Bix kochte Tee. Für Bay-Area-Verhältnisse war die Wohnung riesig, mindestens hundertzehn Quadratmeter groß, vielleicht sogar hundertvierzig, vollgestopft mit Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen. Bix sammelte die merkwürdigsten Gegenstände. Eine Glasaugen-Sammlung füllte ein ganzes Regal, auf einem weiteren entdeckte ich alte Teekannen in der Form von Affen, Katzen und anderen Tieren. Die Cynthia-Silverton-Sammelbände lagen auf einem großen Holztisch, hundertacht an der Zahl. Ich ließ meinen Blick darüberschweifen. Und ob das die richtigen Bücher waren! Allein der Anblick löste eine Flut von Erinnerungen aus. Wie Tracy und Kelly und ich sie uns heimlich im Unterricht zuschoben. Wie uns in der Linie G ein Heft geklaut wurde und wir uns mit der Diebin prügelten. Wie ich nachts im Bett lag und von Cynthias ewigem Kampf mit Hal Overton las, ihrem Gegenspieler.
»Wo hast du die gefunden?«, fragte ich.
Bix setzte sich auf das alte, mit rotem Samt bezogene Sofa und schlug die Beine übereinander.
»Im Ernst?«, fragte er.
»Nein«, sagte ich, »erzähl mir zuerst irgendwelchen Unsinn.«
»Ich habe sie im Müll gefunden.«
»Im Ernst?«, fragte ich.
»Im Ernst«, sagte er.
»Wie viel willst du dafür?«, fragte ich.
»Oh«, sagte er wie aus der Pistole geschossen, »sie sind nicht zu verkaufen!«
Was so viel bedeutete wie
teuer.
»Ich zahle fünfhundert«, sagte ich, »bar auf die Hand. Für alle.«
Er verzog das Gesicht, als wolle er mit mir Schluss machen. »Eher nicht.«
»Tausend?«
Wieder die Grimasse.
»Zwei Riesen«, sagte
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