Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
Vom Netzwerk:
ich. »Ich könnte das Geld innerhalb der nächsten Stunde auftreiben.«
    Dasselbe Gesicht.
    »Das hier ist eine Eigentumswohnung, oder?«, fragte ich.
    Er lächelte. »Ja«, sagte er, »das Haus gehört mir. Ich habe es der Stadt im Rahmen einer Eigentumsoffensive für ungefähr fünf Dollar abgekauft.«
    »Du weißt, ich bin Privatdetektivin«, sagte ich. »Wie wäre es mit einem Tauschgeschäft? Ich kann so gut wie alles in Erfahrung bringen. Über jeden.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich bin mit meinem Wissen ganz zufrieden«, sagte er. »Es sei denn, du kannst mir sagen, wer Kaspar Hauser war oder wer Kennedy ermordet hat. Solche Sachen.«
    »Der Kronprinz von Bayern«, sagte ich, »und E. Howard Hunt.«
    »Wow«, sagte er. »Hm. Aber weißt du, eigentlich gibt es da nichts zu tauschen.«
    »Ich könnte in
deinem
Keller nach Leichen suchen«, sagte ich. »Erpressung ist immer eine Möglichkeit.«
    »Nun ja, hmm«, sagte er, »viel Glück. Ich bin weder berühmt noch sonst irgendwas. Im Ernst, ich könnte mich auf die Straße stellen und Hunde ficken, und niemanden würde es interessieren.«
    »Außer vielleicht die Hunde«, sagte ich.
    »Ja«, sagte er, »natürlich. Guter Einwand. Aber weißt du, so was würde ich niemals tun. Das wäre ja wirklich … ich meine, ich liebe Tiere. Nein, nicht so. Auf die harmlose Art.«
    »Ich hätte es dir auch nicht zugetraut«, sagte ich. »Leckerer Tee.«
    »Danke«, sagte er. »Geerntet von thailändischen Affen. Angeblich.«
    »Wow«, sagte ich, »immerhin haben sie Arbeit!«
    »Ja«, sagte er, »so ist es. Obwohl es manchmal ganz angenehm sein kann, keine Arbeit zu haben.«
    »Klar«, sagte ich.
    Wir sahen uns an.
    »Du könntest sie hier lesen«, sagte er.
    »Wirklich?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte er. »Nur nicht jetzt sofort. Ich habe eine Verabredung.«
    »Ich könnte hierbleiben, wenn du gehst«, schlug ich vor.
    »Nein, besser nicht«, sagte er. »Wenn du nicht freiwillig verschwindest, rufe ich die Polizei. Ich muss nur noch auf den Knopf drücken.« Er hielt sein Telefon in die Höhe. Die 9 – 1 – 1 war bereits gewählt. Bix war ein cleveres Kerlchen.
    »Okay«, sagte ich. »Morgen?«
    »Ein andermal«, sagte er.
    »Morgen ist ein andermal«, sagte ich, »und besser, hoffentlich.«
    »Ein andermal«, sagte er. »Dabei sollten wir es vorerst belassen.«
    »Darf ich dich was fragen?«, sagte er, als er mich hinunterbegleitete, um hinter mir abzuschließen. »Ist das India Palace das richtige Lokal für ein Date?«
    »Willst du sie flachlegen?«, fragte ich. »Oder bloß mit ihr reden?«
    »Ginge auch beides?«, fragte er.
    »India Palace ist okay«, sagte ich. »Wir werden abwarten, wie du dich heute Abend schlägst, und dann sehen wir weiter.«
    »Super«, sagte er, »danke.«
    »Morgen?«, fragte ich.
    Aber Bix war nicht dumm. »Ein andermal«, sagte er und schloss die Tür.

[home]
    27
    I n der Nacht träumte ich von Paul. Ich träumte von unserer ersten gemeinsamen Nacht, nur dass wir in meinem Traum in einem Boot saßen und auf einem schwarzen Meer dahintrieben, nur wir zwei allein. Als ich mich auszog und er zum ersten Mal meine Narben und Tätowierungen sah, wollte er die Geschichte jeder einzelnen Wunde erfahren. Ich wollte nicht erzählen, wie ich angeschossen und gezeichnet und zerstochen worden war. Pauls Körper war glatt und makellos, abgesehen von ein paar unbeholfenen Teenagertattoos und einer schmalen, kaum sichtbaren OP -Narbe, wie sie nur die Reichen haben, direkt über der Stelle, an der sein Blinddarm gesessen hatte. Er legte eine Hand an meinen Fuß, über das vierblättrige Kleeblatt, das ich mir vor Ewigkeiten in L.A. selbst gestochen hatte. Es war verblasst, aber immer noch erkennbar.
    »Jede Wette, dass hinter dem hier eine gute Geschichte steckt«, sagte er lächelnd.
    »Ja«, sagte ich, und ich lächelte, aber ich verriet ihm nichts. Sollte er doch glauben, was er wollte. So eine Geschichte erzählt man keinem Menschen, den man mag.
    Im echten Leben war es so, dass ich, als Paul nach dem Kleeblatt fragte, aus dem Bett sprang, mir einen Joint anzündete und ans Telefon ging, weil es klingelte. Ein neuer Fall. Ich war dankbar für die Ablenkung. Immerzu ein neuer Fall. Als ich wieder ins Bett kam, war die Unterhaltung beendet. Noch etwas anderes war beendet, beendet und vorbei. Ich hatte es selbst getötet.
    In meinem Traum blieb ich im Bett liegen, auf dem Boot, wir beide ganz allein, seine Hand an meinem Fuß, und ich ließ das Telefon

Weitere Kostenlose Bücher