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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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ich.
    »Ich verschweige dir eine ganze Menge«, sagte Jon schnippisch, »oder willst du tatsächlich wissen, was ich zu Mittag gegessen habe?«
    »Unbedingt«, sagte ich.
    »Vergiss es«, sagte er und wandte sich wieder seiner Gitarre zu. Pauls Gitarre.
    »Wenn du es mir sagen willst«, schlug ich vor, »kannst du mich ja anrufen. Okay?«
    Jon hob den Kopf. »Was ich gegessen habe?«
    »Nein«, sagte ich. »Was immer du mir zum Thema Paul sagen wolltest.«
    »Ach so. Okay«, sagte er und mied jeglichen Blickkontakt, wie alle es tun, wenn sie mit einer verrückten Person sprechen.
    »Versprich es mir«, bat ich. »Versprich mir, dass du anrufst, wenn du mir etwas zu sagen hast.«
    »Ja«, sagte Paul, »abgemacht. Ich verspreche es. Ich muss jetzt … äh. Du weißt schon. Ich muss …«
    Wahrscheinlich wollte er mir damit sagen, er müsse nun mit Leuten reden, die weniger verrückt waren als ich, also ging ich. Ich lief bis zur nächsten Straßenecke. Dann machte ich kehrt und lief zum Laden zurück. Jon zwang sich zu einem Lächeln, als ich eintrat.
    »Sicher, dass du mir nichts zu sagen hast?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte er, »ganz sicher. Ehrlich.«
    »Du hast meine Telefonnummer«, sagte ich. »Du weißt ja, du kannst mich jederzeit anrufen. Hast du meine E-Mail-Adresse?«
    Ja, die habe er, versicherte er mir, und dann wandte er sich wieder der Favilla zu und ignorierte mich. Er ignorierte mich, bis ich ging.

[home]
    30
    I ch fuhr nach Hause. Dort schnupfte ich ein weiteres Häuflein und rief dann Bix Cohen an, um zu fragen, wann ich mir die Cynthia-Silverton-Bände ansehen dürfe. Bix war nicht zu Hause. Ich war nicht müde. Ich blätterte in den Büchern über Miniaturpferde, die Claude mir besorgt hatte. Über Selbstmorde fand ich nichts. Was nicht bedeutete, dass es keine gab.
    Ich betrachtete die Liste der gestohlenen Gitarren. Fünf leere Halterungen. Fünf verschwundene Gitarren.
    Eine davon war nicht die Favilla.
    Was war sie dann?
    Ich rief Claude an und erklärte ihm, was ich von ihm wollte. Er sollte Pauls Sammlung durchsehen, sämtliche Quittungen und Fotos, bis er die gesuchte Gitarre identifiziert hatte. Claude fügte den Punkt seiner Aufgabenliste hinzu.
    Nach Mitternacht klingelte mein Telefon. Obwohl ich die Nummer nicht wiedererkannte, wusste ich sofort, wer anrief.
    »Okay«, sagte Jon, »okay. Ehrlich gesagt war mein letztes Treffen mit Paul ziemlich seltsam. Ich glaube, ich habe etwas gesehen, das ich nicht sehen sollte.«
    Ich spürte ein Kribbeln im Nacken, und obwohl ein Teil von mir nicht fragen wollte, fragte ich trotzdem: »Was hast du gesehen?«
    »Also, es war in San Mateo«, sagte er, »beim Koreaner. Tofu House. Klingt nach einem vegetarischen Restaurant, ist aber keins, die haben einfach nur sehr viel Tofu auf der Karte. Jedenfalls habe ich auf dem Weg zum Flughafen kurz dort reingeschaut und Paul entdeckt, mit einer Frau. Einer anderen Frau.«
    »Mit wem?«, fragte ich, während das Kribbeln abwärtskroch, zwischen meine Schulterblätter.
    »Mit niemandem«, sagte Jon. »Ich war allein unterwegs.«
    »Schon gut«, sagte ich. »War er mit ihr zusammen dort, oder mit ihr
zusammen?
«
    »Zusammen«,
sagte Jon. »Glaube ich jedenfalls.« Und etwas sagte mir, dass seine Vermutung stimmte.
     
    Vielleicht sind zwei Verliebte wie zwei Güterzüge, die aufeinander zurasen. Und dazwischen steht eine ganze Busladung Einfaltspinsel auf den Gleisen und hört das Pfeifen nicht.

[home]
    31
    A m nächsten Tag fuhr ich zur Haight Street und ging zu Amoeba Music. In der Ecke mit den Vinyl-Sonderangeboten fand ich eine Single der Percolators. Von den Tearjerkers konnte ich nichts entdecken.
    »Ja, die sind ziemlich gefragt«, sagte der Junge am Tresen. »Halt, stopp, ich glaube, ich habe noch eine.« Er drehte sich um und suchte das Wandregal ab, in dem die Raritäten unerreichbar für schmutzige Diebeshände ausgestellt wurden.
    Nach einer Weile hatte er eine Single gefunden. Ich streckte die Hand aus.
    »Äh, die kostet hundertfünfzig«, sagte er zögerlich.
»Dollar.«
    »Ich bin ganz vorsichtig«, sagte ich. Er reichte mir die Platte.
    Das Cover war eine Collage und erinnerte an eine Lösegeldforderung, nur dass außer Buchstaben auch weibliche Körperteile ausgeschnitten waren. Das Lied hieß »Cut to the Bone«. Die B-Seite hieß »Never Going Home«. Offenbar war die Single in irgendeinem Keller aufgenommen worden.
    »Das war, bevor sie groß rausgekommen sind«, bestätigte der

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