Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Fehlspekulationen zu belasten (wie im Falle der Credit Suisse), könnte man von vornherein klar
machen, dass Mitarbeiter ihre Prämien in den Wertpapieren erhalten, die sie aufgesetzt haben. Besser noch, man könnte diese
Bonuszahlungen in Form von Wertpapieren über mehrere Jahre hinweg treuhänderisch verwalten, damit genügend Zeit verstreicht,
um festzustellen, wie gefährlich sie wirklich sind. Schließlich müsste man den Mitarbeitern dann noch untersagen, sich gegen
potenzielle Verluste aus diesen künftigen Bonuszahlungen abzusichern. 9 (Immerhin haben wir es hier mit Händlern zu tun, und wenn sie etwas wirklich gut können, dann Geld verdienen, egal wie sich
der Markt entwickelt.)
|255| Wie die Vergütung am Ende auch immer reformiert wird, freiwillig wird dies auf keinen Fall geschehen. Wenn ein großes Finanzunternehmen
im Alleingang mit einem Bonus-Malus-System vorprescht, werden die Mitarbeiter dieses umsichtigeren Instituts vermutlich in
Scharen zur weniger soliden Konkurrenz überlaufen, weil sie dort Aussichten auf höhere Bezüge haben.
Hier ist also der Staat gefordert. In den Vereinigten Staaten hat nur die Regierung die Macht, eine flächendeckende Reform
des Vergütungssystems durchzuführen. Und sie hat jede Veranlassung dazu. Der Staat beziehungsweise der Steuerzahler hat de
facto das gesamte Finanzwesen gerettet. Er will nun folgerichtig sicherstellen, dass sich dies nicht wiederholt. Außerdem
ist angesichts der komplexen Prinzipal-Agent-Problematik auszuschließen, dass eine Vergütungsreform von den Aktionären ausgeht.
Doch die Regierung könnte per Gesetz eine Reform nach dem beschriebenen Muster vornehmen, die für alle gilt.
Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir wollen nicht, dass der Staat die Vergütung deckelt, obwohl er dazu sicherlich
befugt wäre – vor allem bei Banken, deren Überleben weiterhin von seiner Unterstützung abhängt. Wir schlagen etwas anderes
und in gewisser Hinsicht sogar noch Radikaleres vor: Die Vergütung soll auf ganzer Linie umstrukturiert werden, um riskantes
Verhalten einzudämmen und so die Wahrscheinlichkeit eines umfassenden Zusammenbruchs, wie er dem globalen Finanzsystem vor
kurzem drohte, zu verringern.
Ganz abgesehen davon steht jedoch fest, dass die Bezüge durch den Wegfall der kurzfristigen Risikoanreize und durch mögliche
Rückforderungen vermutlich niedriger ausfallen werden. Das wäre allerdings kein Schaden. In den letzten Jahren hat die Finanzbranche
– und mit ihr die Bezüge ihrer Mitarbeiter – ein exorbitantes und gänzlich ungerechtfertigtes Wachstum erlebt, angeheizt durch
die Liberalisierung der Finanzmärkte, neue Finanzprodukte, die Abschaffung von Kapitalkontrollen und die Globalisierung der
Finanzwelt. 10
|256| Im Zuge dieser Entwicklung ist der »Beitrag« – wenn man es denn so nennen kann – des Finanzsektors zum Bruttoinlandsprodukt
der Vereinigten Staaten von 2,5 Prozent im Jahr 1974 auf 4,4 Prozent im Jahr 1977 und auf 7,7 Prozent im Jahr 2005 gestiegen.
Damals entfielen mehr als 40 Prozent der von S&P 500-Unternehmen 1* erwirtschafteten Erträge auf Finanzunternehmen. Noch erstaunlicher war, dass die 25 erfolgreichsten Hedge-Fonds-Manager des Landes zusammen mehr verdienten als die CEOs aller im S&P 500 notierten Unternehmen. Im Jahr 2008 floss in den Vereinigten
Staaten jeder dreizehnte Gehaltsdollar an Mitarbeiter der Finanzbranche; nach dem Zweiten Weltkrieg war es lediglich jeder
vierzigste gewesen.
Das exzessive Wachstum des Finanzsystems schuf wenig Mehrwert für Investoren. Hedge-Fonds, Investmentbanken, Vermögensverwalter
und andere Anlagefonds versprachen Toprenditen, die sich in der Regel als Floprenditen erwiesen. Nur die Fondsmanager sahnten
wirklich ab, die Gewinne der Anleger wurden von den horrenden Gebühren aufgefressen, die Manager für ihre vermeintlichen Spitzendienstleistungen
kassierten.
Die Finanzmanager waren kreativ, wenn es darum ging, die Anleger zu erleichtern. Zum Beispiel bei der Verbriefung: Bei jedem
einzelnen Schritt kassierte irgendjemand – der Hypothekenhändler, die ausgebende Bank, der Immobilienschätzer, der Investmentbanker,
der Wertpapierversicherer und die Ratingagentur – saftige Gebühren für seine Dienstleistungen. Vor allem die Oligarchen der
Investmentbanken verdienten an diesem Geschäft und nutzten die mangelnde Transparenz, um den leichtgläubigen Investoren das
Geld aus der Tasche zu
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