Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Millionen
US-Dollar aus, um sich im Kongress gegen eine Deckelung der Managerbezüge und eine schärfere Regulierung des Finanzsektors
zu wehren. Über den Kongress übten sie außerdem Druck auf die Bilanzaufsicht aus, die daraufhin die sogenannten Bilanzierungsrichtlinien
zur Ermittlung des Marktwerts außer Kraft setzte. Dies |297| ermöglichte den Banken eine magische Gesundung, zumindest auf dem Papier. Außerdem konnten sie so mit der Rückzahlung der
staatlichen Mittel beginnen, allerdings nicht ohne zuvor im Kongress eine Senkung der Strafzinsen zu bewirken.
Solange diese inzestuöse Beziehung zwischen der Finanzwelt und der Politik bestehen bleibt, wird sich der perverse Austausch
von Gefälligkeiten fortsetzen, der Deregulierung, Spekulationsblasen, Krisen, Rettungsaktionen und verantwortungsloses Risikoverhalten
fördert. Nur eine spürbare Einschränkung dieser Beziehungen zwischen Politik und Finanzwelt kann dieses für beide Seiten fatale
Verhältnis beenden. Die Politik hat schließlich großen Einfluss auf das Ausmaß der Regulierung und die Regulierer selbst.
Das ist keine gute Sache, denn sie hat die Hand auf dem Geld, und Behörden, die sich nicht nach ihren Vorgaben richten, können
für ihre Eigenmächtigkeit belangt werden.
Eine Lösung wäre eine größere Autonomie der Regulierer. 16 Die Behörden könnten zum Beispiel mehr Spielraum für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben erhalten. Alternativ können sie
politisch oder sogar finanziell unabhängig gestellt werden.
Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Die amerikanische Notenbank ist beispielsweise Teil der Exekutive, sie finanziert sich
weitgehend selbst und ist dem Parlament nur in geringem Maße Rechenschaft schuldig. Eine Übertragung von Regulierungsaufgaben
auf die Notenbank würde die Aufseher theoretisch unabhängiger machen. Ein anderes Modell bietet die britische Behörde FSA.
Sie untersteht zwar formell der Regierung, ist aber operativ unabhängig. Wie eine Zentralbank finanziert sie sich nicht aus
Steuermitteln, sondern über die Gebühren, die sie den von ihr überwachten Finanzunternehmen in Rechnung stellt.
Wie so viele umfassende Lösungen hat auch diese ihre Nachteile. Eine politische Autonomie der Regulierung ist allein noch
kein Garant für eine bessere Regulierung. Die FSA hat beispielsweise die jüngste Krise offenbar nicht vorhergesehen oder gar
abgeblockt. In den Vereinigten Staaten war die formell unabhängige |298| Notenbank zwar für die Regulierung von Banken und Hypotheken zuständig, hat ihre Befugnisse aber ungenutzt gelassen. Dafür
musste sie dann in beispiellosem Umfang als letztinstanzlicher Kreditgeber herhalten.
Das Problem der Selbstbedienungsmentalität verschwindet nicht, nur weil eine Behörde dem Gesetzgeber gegenüber nicht länger
rechenschaftspflichtig ist. So werden zum Beispiel maßgebliche Machtzentren innerhalb der amerikanischen Notenbank, allen
voran die Notenbank von New York, in Wirklichkeit von den Banken der Wall Street kontrolliert. Politische Autonomie übersetzt
sich nicht automatisch in regulatorische Unabhängigkeit. Dieser Punkt muss bei Überlegungen zu weiterreichenden strukturellen
Reformen berücksichtigt werden.
Angesichts solcher Schwachstellen ist es vermutlich besser, das korrupte Geflecht von Finanzwelt und Politik aus einer ganz
anderen Richtung anzugehen. Es gibt einen sehr einfachen Weg, die Macht der Großkonzerne zu beschneiden, die zur Entstehung
der Krise beigetragen haben: Man muss sie zerschlagen.
Wie man einen Konzern zerschlägt
In der jüngsten Krise war immer wieder zu hören, bestimmte Unternehmen seien zu groß für einen Bankrott. Die Lehman-Pleite
und der nachfolgende Infarkt des globalen Finanzsystems zeigten, dass viele Finanzinstitute mittlerweile so groß, so fremdkapitallastig
und so vernetzt sind, dass ihr Kollaps das ganze System erschütterte.
Wenn in den Vereinigten Staaten eine Wald- und Wiesenbank pleite macht, übernimmt im nachfolgenden Konkursverfahren der Einlagensicherungsfonds
die Kontrolle. Unter den Banken, die zu groß für einen Bankrott sind – und die den sogenannten »Too big to fail«-Club bilden
–, sind nur wenige solche traditionellen Institute. Die meisten dieser Unternehmen gehören einer anderen Spezies |299| an. Es sind große Investmentbanken wie Morgan Stanley und Goldman Sachs, gigantische Versicherungsriesen wie AIG, Unternehmen
mit rechtlichem
Weitere Kostenlose Bücher