Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Sonderstatus wie Fannie Mae oder Freddie Mac und Hedge-Fonds wie Long-Term Capital Management.
Die Krise hat zwar wenige dieser Unternehmen ungeschoren gelassen, doch sie sind dank der Konsolidierungswellen nach der Panik
inzwischen oft größer als zuvor. JP Morgan Chase hat erst Bear Stearns und dann Washington Mutual übernommen, die Bank of
America hat Countrywide und anschließend Merrill Lynch geschluckt, und Wells Fargo und Citigroup haben sich um Wachovia gebalgt,
eine zwar enorm große, doch trotzdem insolvente Bank. Wozu bloß? Zyniker könnten meinen, beide Unternehmen hätten erkannt,
dass der Sieger des Übernahmestreits (übrigens Wells Fargo) als noch größere Gefahr für das Finanzsystem wahrgenommen werde
und daher auf noch mehr staatliche Hilfen und Nachsicht hoffen durfte.
Wir befinden uns heute in der schlimmsten aller Welten, in der die geretteten Riesenkonzerne auch in künftigen Krisen wieder
staatliche Hilfen erwarten. Sie sind noch nicht von den Aufsichtsbehörden unter die Lupe genommen worden, und es fehlt ein
System, solche Unternehmen nötigenfalls einfach in den Konkurs gehen zu lassen. Schlimmer noch, viele dieser Unternehmen,
allen voran Goldman Sachs und JP Morgan, verfolgen bereits wieder sogenannte »Eigenhandelsstrategien«, also komplizierte Wetten
auf Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Derivate, die sich nach komplexen und von den Händlern selbst entwickelten Algorithmen
richten. Manche dieser Strategien sind hochriskant. Das hindert diese Unternehmen jedoch nicht daran, sie wieder aufzunehmen,
während sie noch unter dem Schutzschirm eines von Dutzenden staatlicher Hilfsprogramme stehen.
Die Politik geht das »Too big to fail«-Problem auf unterschiedliche Weise an. Sie versucht zum Beispiel dafür zu sorgen, dass
die Schockwellen des Zusammenbruchs eines dieser Unternehmen den Rest des Finanzsystems weniger hart treffen. Um Kollateralschäden |300| zu vermeiden, griff sie in der jüngsten Krise angesichts eines drohenden Konkurses zu zwei gleichermaßen problematischen Maßnahmen:
Eine Auszahlung aller Gläubiger großer Finanzunternehmen (wie im Falle von Bear Stearns und AIG) und ein ungeordneter Bankrott
(wie im Falle von Lehman). Wir benötigen einen dritten Weg: Eine Regierung muss die Befugnis erhalten, diese Unternehmen geordnet
abzuwickeln.
Zum Beispiel könnten diese Unternehmen eine Art »Patientenverfügung« unterzeichnen, die in Kraft tritt, wenn sie handlungsunfähig
werden. 17 Die Regierung würde dann wie ein Arzt auftreten, der die Wünsche eines Sterbenden befolgt und den Todeskampf des Unternehmens
so glimpflich, schmerzfrei und kostengünstig wie möglich gestaltet. Auf diese Weise hätte der Untergang eines Unternehmens
nicht die katastrophalen Auswirkungen der Lehman-Pleite. Es wäre ein würdevoller Tod.
Eine ähnliche Lösung wäre ein eigenes Konkursverfahren für diese Unternehmen, das weniger Schaden anrichtet als das herkömmliche
Verfahren nach Chapter 11. Zum Beispiel wäre eine Art Treuhandgesellschaft denkbar, wie sie die Regierung im Falle von Fannie
Mae und Freddie Mac eingerichtet hat. 18 Alternativ könnte eine Bundesbehörde analog zur FDIC diese Aufgabe übernehmen. In beiden Fällen würde ein ungeordneter Bankrott
vermieden und die Abwicklung von den Gerichten in eine staatliche Einrichtung verlagert. Diese hätte größere Befugnisse als
ein Konkursverwalter und könnte verhindern, dass ein Konkurs allzu großen Schaden anrichtet.
Beide Vorschläge haben ihre Schwächen. Kritiker der »Patientenverfügung« weisen darauf hin, dass keineswegs klar ist, ob alle
betroffenen Parteien mit einem würdevollen Tod einverstanden wären. Wie ein aufgebrachtes Familienmitglied, das sich weigert,
der Einstellung von lebensverlängernden Maßnahmen zuzustimmen, könnten Bankmanager und Politiker, die ein Interesse am Überleben
der fraglichen Bank haben, die Abwicklung verhindern wollen. Immerhin stehen unter Umständen im Wahlbezirk eines |301| Kongressabgeordneten zigtausend Arbeitsplätze auf dem Spiel, von großzügigen Wahlkampfspenden ganz zu schweigen.
Diese Vorschläge sind auch deshalb problematisch, weil damit die Entscheidung, wie viel Geld die Gläubiger im Konkurs erhalten,
dem Staat zufällt. Der könnte zu viel zahlen und den Märkten das Signal geben, dass verantwortungsloses Risikoverhalten auch
noch belohnt wird. Zahlt er dagegen weniger, als der Markt erwartet, könnte
Weitere Kostenlose Bücher