Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
erforderlichen Anpassungen beitragen müssen, statt wie bisher
zu versuchen, die Ungleichgewichte für sich zu nutzen.
Solche Reformen können das Problem von der Nachfrage- und von der Angebotsseite her angehen. Bislang waren Reformen an |354| beiden Fronten beklagenswert unzulänglich. Auf Nachfrageseite hat der übertriebene Aufbau von Devisenreserven in den Schwellenländern
die globalen Ungleichgewichte massiv verstärkt. Dem ließe sich durch einen verlässlichen internationalen Kreditgeber letzter
Instanz begegnen, der einen Beitrag zur Vermeidung internationaler Liquiditätskrisen leisten könnte. Nur dann werden Schwellenländer
ein geringeres Bedürfnis nach Reserven haben.
Auf der Angebotsseite sollte die Auswahl an internationalen Reservewerten über den US-Dollar und ein paar weitere Währungen
hinaus erweitert werden. Nach und nach könnten und sollten Sonderziehungsrechte eine größere Bedeutung erhalten. Ebenso könnten
Zentralbanken und staatliche Investitionsfonds in den kommenden Jahren dazu übergehen, einen Teil ihrer Reserven in Währungen
von Schwellenländern zu halten. Kurzfristig wird die Rolle des US-Dollars als primäre Reservewährung dadurch nicht bedroht.
Klare Alternativen zum Dollar gibt es nicht. Doch wenn die Vereinigten Staaten weiterhin große Doppeldefizite auflaufen lassen
oder gar anfangen, ihr Haushaltsdefizit zu monetisieren, würden die daraus resultierenden hohen Inflationsraten den Niedergang
des Dollars als wichtigste Reservewährung beschleunigen – mit unvorhersehbaren Konsequenzen.
Nehmen wir einmal an, dass die Vereinigten Staaten diesen Weg nicht einschlagen, und nehmen wir weiter an, dass die von uns
beschriebenen Reformen einen geordneten Ausgleich der globalen Ungleichgewichte bewirken. Dann fehlt noch ein weiteres Puzzleteil.
Es sind maßgebliche Veränderungen in den weltwirtschaftlichen Führungsorganen erforderlich und erstrebenswert, sowohl bei
den G20 als auch beim IWF. Auf diese Weise erhielten die Schwellenländer größere Mitspracherechte, und die Verlagerung von
Wirtschaftsmacht von einem Teil der Erde auf einen anderen würde erleichtert.
Es bleibt jedoch offen, ob die großen Volkswirtschaften der Welt wirklich bereit sind, im Namen des Gemeinwohls zusammenzuarbeiten,
oder ob sie weiterhin ihre nationalen Interessen in den |355| Mittelpunkt stellen und damit die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem früher oder später destabilisieren. Das ist
eine Frage, die sich insbesondere China und die Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren stellen müssen. Wenn sie am Status
quo festhalten, gewinnt niemand. Stattdessen verlieren alle, Schwellenländer und Industrienationen gleichermaßen.
|356| Fazit
Der Kreis schließt sich
Im Jahr 2009 bemühte sich Goldman Sachs-Chef Lloyd Blankfein wiederholt, Forderungen nach einer umfassenden Regulierung des
Finanzsystems abzuschmettern. In Reden und Kongressanhörungen beschwor er seine Zuhörer, die Innovationen auf dem Finanzmarkt
nicht zurückzunehmen und sich »einer Reaktion zu enthalten, die ausschließlich darauf abgestellt ist, uns vor dem Jahrhundertsturm
zu schützen«. 1
Das ist lächerlich. Was hinter uns liegt, war kein verrückter Ausreißer, wie er nur alle hundert Jahre vorkommt. Die Vereinigten
Staaten leiden seit ihrer Gründung regelmäßig an brutalen Bankenkrisen und anderen Finanzmiseren. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert
wurde das Land immer wieder von lähmenden Panikattacken und Wirtschaftskrisen heimgesucht.
Erst nach der Weltwirtschaftskrise verschwanden die Finanzkrisen, und diese Phase fiel mit dem Aufstieg der Vereinigten Staaten
zur globalen Supermacht zusammen. Gleichzeitig hielt die amerikanische Regierung Finanzunternehmen durch Gesetze wie den Glass-Steagall
Act und Organe wie die Börsenaufsicht und den Einlagensicherungsfonds im Zaum. Der Dollar wurde zum Anker eines außergewöhnlich
stabilen internationalen Währungssystems, und Krisen schienen der Vergangenheit anzugehören. Obwohl die Fassade nach den 1970er
Jahren ernstzunehmende Risse bekam, hielten die Wirtschaftsexperten der |357| Industrienationen an ihrem Glauben an den ewigen Aufschwung fest.
Die jüngste Katastrophe markiert den Anfang vom Ende dieser gefährlichen Illusion und setzt den Schlusspunkt unter die Finanzmarktstabilität
der
Pax Americana
. Wenn die Macht der Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren bröckelt, werden Krisen
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