Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
den dramatischen Absturz eines
Landes, das einst als Kandidat für die Vormachtstellung in der Weltwirtschaft galt.
|380| BIC, BRIC oder BRICK?
Auf dem Papier können die meisten Schwellenländer mittelfristig durchaus mit robustem Wachstum in der Größenordnung von 5
bis 8 Prozent rechnen. 5 Das ist deutlich mehr als die 2 oder 3 Prozent, wie sie die meisten Industrieländer in den kommenden Jahren erwarten dürfen.
Ihre Stärke verdanken sie vor allem den Vorteilen, über die sie zu Beginn der Krise verfügten. Mit Ausnahme von Teilen Zentral-
und Osteuropas hatten die Banken und Haushalte der Schwellenländer einen geringeren Fremdkapitalanteil, der sich als Achillesferse
vieler Industrieländer erweisen sollte. Außerdem hatten diese Länder nach diversen Finanzkrisen in den letzten Jahrzehnten
ihre Finanzsysteme in Ordnung gebracht, eine solide Haushaltspolitik betrieben und ihren Zentralbanken große Freiräume bei
der Inflationsbekämpfung gegeben.
Aufgrund dieser Vorteile konnten die Schwellenländer die Krise gut verkraften. Mit effektiven währungs- und haushaltspolitischen
Maßnahmen kurbelten sie Nachfrage und Wachstum an und positionierten sich für einen raschen Aufschwung. Sollten diese Länder
an dem marktorientierten Kurs festhalten, den sie vor der Krise eingeschlagen haben, werden sie tatsächlich solide weiterwachsen.
So weit der Idealfall. Trotzdem bleiben einige Vorbehalte. Zuallererst sind diese Volkswirtschaften nicht autark. Sie unterhalten
umfangreiche Handels- und Finanzbeziehungen zu Industrienationen und können sich nicht vollständig von deren Problemen abkoppeln.
Ein schwacher Aufschwung in Ländern wie den Vereinigten Staaten wird auch die dynamischsten Schwellenländer unweigerlich belasten.
Zu den Schwellenländern zählen Dutzende von Staaten. Die größten sind die landläufig als BRIC-Staaten bezeichneten Länder
Brasilien, Russland, Indien und China. 6 Unter ihnen hat China unbestritten die Führungsposition. Doch dieses Land steht vor großen |381| Herausforderungen. Es hat zwar die Krise überstanden, doch seine allzu effektive Reaktion könnte mittelfristig Probleme bereiten.
China reagierte unter anderem mit staatlicher Lenkung des Kreditwachstums auf die Krise. Staatseigene Banken wurden angewiesen,
staatlichen Unternehmen enorme Kredite zur Verfügung zu stellen, um mehr Mitarbeiter einzustellen, mehr Güter zu produzieren,
mehr Rohstoffbestände anzulegen und ihre Kapazität zu steigern. Jede Provinz drängt die Banken mittlerweile, staatseigenen
Betrieben ohne Rücksicht auf Verluste Kredit zu geben, um in Branchen wie der Stahl-, Zement-, Aluminium- oder Autoindustrie
die Produktion zu steigern. Doch China hat in diesen Bereichen bereits Kapazitätsüberschüsse.
Dank des staatlichen und privaten Investitionsbooms verfügt China mittlerweile über eine Infrastruktur, die seine Entwicklung
weit übersteigt – neue Flughäfen stehen leer, Autobahnen werden kaum befahren. Auch der Bausektor ist in schwindelerregendem
Tempo gewachsen und produziert unweigerlich ein Überangebot an gewerblichen und privaten Immobilien. Im Zuge des Wirtschaftswachstums
und der Urbanisierung wird diese Infrastruktur zwar sicher irgendwann genutzt, doch das Angebot übersteigt allmählich die
Nachfrage. Manche dieser Verzerrungen hängen mit dem Umstand zusammen, dass Grundstücke nicht marktgerecht bepreist werden,
da der Staat hier nach wie vor das Angebot kontrolliert.
Ein Teil der Kredite, die heute in die chinesische Wirtschaft fließen, wird zu unproduktiven Zwecken verwendet, wie beispielsweise
zum Kauf von Rohstoffen, Aktien und Immobilien zu Spekulationszwecken. Daraus könnte sich eine gefährliche Blase entwickeln,
die irgendwann eine empfindliche Abwärtskorrektur der Vermögenspreise herbeiführen dürfte. Der chinesische Staat ist sich
dessen bewusst. Steigende Preise für Energie, Lebensmittel und Immobilien haben die Behörden veranlasst, die Geld- und Kreditmenge
zu reduzieren, in der Hoffnung, auf diese Weise eine weiche Landung zu ermöglichen.
|382| Im Jahr 2010 befindet sich China in einer widersprüchlichen Situation. Während die im Vorjahr eingeleiteten Konjunkturprogramme
das Wachstum wieder auf rund 9 Prozent hochgetrieben haben, steht die nötige Verlagerung der Wirtschaft vom Export auf den
Binnenmarkt noch aus. Der private Verbrauch macht in China nach wie vor nur kümmerliche 36 Prozent des
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