Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Bruttoinlandsprodukts
aus, verglichen mit 70 Prozent in den Vereinigten Staaten. Dazwischen gibt es sicherlich einen vernünftigen Mittelwert, doch
China hat bislang wenig unternommen, um diesen zu erreichen.
China könnte in den kommenden Jahren noch von weiteren Problemen belastet werden. So gibt es zwei unterschiedliche Wachstumsraten
innerhalb des Landes. Die exportorientierten Städte an der Küste entwickeln sich deutlich schneller als die ländlichen Regionen
im Landesinnern. Überdies wurde das Wirtschaftswachstum in allen Regionen unter gnadenloser Missachtung der Ökologie vorangetrieben,
was Umweltbelastungen sowie Gesundheitsschädigungen bei Millionen von Chinesen verursachte. Schließlich könnten das autoritäre
politische System, das keine abweichenden Meinungen toleriert, sowie die wachsende Unruhe unter ethnischen Minderheiten zusätzliche
Probleme bereiten.
Die übrigen BRIC-Staaten stehen vor eigenen Herausforderungen. Im Vergleich zu China verfügt Indien über eine lebendige Demokratie,
einen Rechtsstaat und Eigentumsrechte. Doch die Demokratie ist ein zweifelhafter Segen. Schwache Koalitionsregierungen haben
die nötigen Strukturreformen der Wirtschaft verzögert. Dazu gehören die Rückführung der Haushaltsdefizite auf zentral- und
bundesstaatlicher Ebene, die Kürzung ineffizienter Staatsausgaben und die Reform des Steuersystems.
Aber auch andere liberale Reformen sind vonnöten. Die staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft müssen begrenzt und die exzessive
Bürokratie sollte beschnitten werden. Die Arbeitsmärkte sind zu unflexibel und müssen liberalisiert werden. Das Gleiche gilt
für den Handel und die Auflagen für ausländische Direktinvestitionen. Das Unternehmertum muss stärker gefördert werden, genau |383| wie Investitionen in Humankapital und Ausbildung. Auf diesen Gebieten sind zwar Fortschritte erkennbar, doch es besteht die
Gefahr, dass diese Reformen zu langsam erfolgen und der Abstand zwischen dem chinesischen Hasen und der indischen Schildkröte
größer wird.
Ganz anders ist die Lage in Brasilien. Das Land hat eine dynamische Volkswirtschaft mit Rohstoffen, einem hoch entwickelten
Finanzsystem und einem fortschrittlichen Produktionssektor, der noch lange Zeit robust wachsen könnte. Doch selbst in den
besten Zeiten, in den Jahren 2004 bis 2007, als das durchschnittliche Wachstum in den anderen BRIC-Ländern 8 oder gar 10 Prozent
überstieg, sah sich Brasilien mit 4 Prozent weit abgeschlagen.
Der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva ist eine solide makroökonomische Politik zugute zu halten, das Haushaltsdefizit
ist niedrig, und die unabhängige Zentralbank hat sich der Inflationsbekämpfung verschrieben. Doch es bleibt noch viel zu tun.
Um ein Wachstum von 6 Prozent zu erreichen, muss der nächste Präsident die Rentenversicherung regeln, Staatsausgaben und Steuern
senken, durch Investitionen in Aus- und Weiterbildung die Qualifikation der Erwerbstätigen verbessern und durch öffentlich-private
Partnerschaften die Infrastruktur modernisieren und ausbauen. Dazu ist eine Fortsetzung der Sozialpolitik nötig, mit der die
ungleiche Verteilung von Einkommen und Wohlstand nach und nach verringert wird.
Der letzte BRIC-Staat wurde durch die jüngste Wirtschaftskrise als potenzieller Hochstapler entlarvt. Die Schwächen der russischen
Wirtschaft – vor allem die stark verschuldeten Banken und Unternehmen – waren in den letzten Jahren durch den warmen Regen
der hohen Öl- und Gaspreise kaschiert worden. Nachdem Russlands Wirtschaft im Jahr 2008 um 8 Prozent gewachsen war, schrumpfte
sie im Folgejahr um ebenso spektakuläre 8 Prozent.
De facto besteht die russische Wirtschaft nur aus einem halbwegs gesunden Öl- und Gassektor, der mit den Preisen dieser Rohstoffe
schwankt. Sie muss diversifizieren, doch dazu wären die |384| Privatisierung von Staatsbetrieben, die Liberalisierung der Wirtschaft, der Abbau einer unternehmerfeindlichen Bürokratie
und ein ernsthafter Vorstoß gegen die verbreitete Korruption erforderlich. Selbst der Energiesektor muss modernisiert werden.
Doch ausländische Geldgeber scheuen davor zurück, Geld in Anlagen zu investieren, die am Ende enteignet oder verstaatlicht
werden könnten.
Russland hat noch zahlreiche weitere Probleme: eine verfallende Infrastruktur, ein korruptes politisches System und eine schrumpfende
Bevölkerung, die unter gravierenden Gesundheitsproblemen (allen
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