Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
zu früh und zu schnell. Die Ursache ist vor allem bei der Zentralbankpolitik der Industrieländer zu
suchen. Niedrige Zinsen und quantitative Lockerungen haben einen »Liquiditätsberg« geschaffen, der den »Sorgenberg« nach der
Krise überwand. Das heizt die erstaunliche Wiederbelebung des Interesses an riskanten Anlagen zusätzlich an.
Doch die globale Spekulationsblase findet noch andere Nahrung: den Carry Trade im Dollar. Beim Carry Trade nehmen Anleger
in einer Währung Mittel auf und investieren sie dort, wo sie höhere Renditen abwerfen. Infolge der fast auf null gesenkten
Zinsen in den Vereinigten Staaten können sich Investoren dort Dollars leihen und in aller Welt in riskante Anlagen investieren.
Wenn die Preise für diese Anlagen steigen, machen die Investoren ordentlich Gewinn, mit dem sie die geliehenen Dollars zurückzahlen
können. Diese haben bis dahin weiter an Wert verloren, was die |387| Tilgung der Kredite erleichtert. In der Praxis bedeutet das, dass Investoren nicht nur zinslos Geld leihen, sondern sogar
zu negativen Zinsen – je nach Wertverlust des Dollars um 10 oder 20 Prozent.
In diesem Umfeld winken leichte Gewinne, seit März 2009 zwischen 50 und 70 Prozent. Die Federal Reserve hat dieses Szenario
ungewollt noch gefördert. Indem sie verschiedenste Anlagen – amerikanische Staatsanleihen, hypothekenbesicherte Wertpapiere
und Schuldtitel von Fannie Mae oder Freddie Mac – aufkaufte, reduzierte sie die Volatilität auf den Märkten. Dadurch wird
der Carry Trade reizvoller, das Risikobewusstsein schwindet, und immer mehr Investoren werden in eine Blase hineingezogen.
Im Zusammenspiel mit der Nullzinspolitik der Federal Reserve haben diese Maßnahmen weltweit die richtigen Voraussetzungen
für eine gewaltige Spekulationsblase geschaffen. 7
Die Schwäche des Dollars hat Zentralbanken in Asien und Lateinamerika in eine schwierige Lage gebracht. Ohne Interventionen
auf den Devisenmärkten werden ihre Währungen gegenüber dem US-Dollar zulegen, und eine Kreditaufnahme in US-Dollar wird noch
verführerischer. Greifen sie jedoch ein, um eine solche Aufwertung zu verhindern, indem sie ausländische Währungen wie den
US-Dollar kaufen, entstehen Reserven, durch die sie nur neue Spekulationsblasen speisen könnten. Das Ergebnis ist immer dasselbe:
eine globale Spekulationsblase, die sich mit jedem Tag weiter aufbläht.
Irgendwann kommt der Carry Trade schließlich zum Erliegen. Die amerikanische Notenbank wird ihr Programm zum Aufkauf von Wertpapieren
beenden und so wieder eine gewisse Volatilität auf den Märkten herbeiführen. Der US-Dollar wird sich früher oder später stabilisieren,
denn er kann nicht unendlich nachgeben. Sobald das geschieht, sind die Kosten von Dollarkrediten nicht länger negativ, sondern
liegen lediglich nahe null. Das sind schlechte Nachrichten für alle, die auf einen dauerhaften Abwärtstrend des Dollars gesetzt
haben. Spekulanten sind dann gezwungen, kurzfristig den Rückzug anzutreten und ihre Leerverkäufe einzudecken.
|388| Dieser Prozess verläuft umso heftiger, je schneller der Dollar an Wert gewinnt. Das könnte alle möglichen Ursachen haben.
Zunehmende Risikoscheu oder militärische Konflikte und andere geopolitische Spannungen könnten die Investoren abrupt in sicherere
Anlagen treiben. Wenn der Dollar aber plötzlich so zulegt wie der Yen, als sich der Carry Trade in dieser Währung auflöste,
kommt es zu einem Run. Investoren mit Long-Positionen in riskanten globalen Anlagen und Short-Positionen im US-Dollar werden
ihre Taktik umgehend ändern. Dann platzt die Blase.
Diese Entwicklungen müssen sich nicht sofort einstellen. Der Liquiditätswall und die Dämpfung der Volatilität durch die Federal
Reserve können den derzeitigen Zustand noch eine Zeit lang aufrechterhalten. Dies vergrößert die Spekulationsblase jedoch
nur und schafft alle Voraussetzungen für eine schwere Krise.
Staatsbankrott
Bis vor kurzem erschien die Vorstellung undenkbar, dass eine Industrienation ihre Staatsanleihen nicht bedienen könnte. So
etwas kam in Schwellenländern vor. Allein im letzten Jahrzehnt wurden Russland, Argentinien und Ecuador zahlungsunfähig, Pakistan,
die Ukraine und Uruguay standen kurz davor. Dieses Muster zieht sich durch die Jahrhunderte. Schwellenländer geraten immer
wieder mit ihren Verbindlichkeiten in Verzug, ehe sie schließlich zu einem respektablen, verlässlichen
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