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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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der Symptome, die den Vereinigten Staaten zum Verhängnis geworden waren – eine Immobilienblase, gehebelte Banken, gewaltige
     Leistungsbilanzdefizite und überbewertete Währungen – betrafen auch andere Länder in aller Welt. So hatten beispielsweise
     europäische Banken in Rumänien, Ungarn, der Ukraine und den baltischen Staaten riskante Kreditgeschäfte getätigt. Viele dieser
     neuen europäischen Märkte, etwa die über 20 ehemaligen Sowjetstaaten, waren jedoch extrem instabil, da ihr Wohlstand von überbewerteten
     Währungen und Leistungsbilanzdefiziten abhing.
    Niemand war gegen die Krise immun. China, Japan und andere Exportnationen – so auch die Rohstoffexporteure im Nahen Osten
     – erlebten mit der Verschärfung der Rezession in den Vereinigten Staaten wirtschaftliche Einbrüche, weil die Nachfrage schwand.
     Länder wie Lettland und Dubai fielen der Epidemie am Finanzmarkt zum Opfer. Als die Kredite in den Vereinigten Staaten eingefroren
     wurden, zogen auch die anderen Finanzmärkte nach, und als die Weltwirtschaft schrumpfte, wurden auch Exportnationen wie China
     und Rohstoffexporteure wie Russland von dem Virus befallen.
    Mit der Verschlimmerung der Epidemie Ende 2008 wurde die Geschichte längst vergangener Krisen immer wichtiger für die Erklärung
     des Geschehens und mit ihnen die Arbeiten von Wirtschaftswissenschaftlern, die lange in Vergessenheit geraten schienen. John
     Maynard Keynes war plötzlich genauso wieder in aller |58| Munde wie Joseph Schumpeter, Hyman Minsky, Irving Fisher und selbst Karl Marx. Ihre plötzliche Renaissance war ein Signal:
     Alle hatten sich einen Namen gemacht, weil sie sich mit der Frage beschäftigten, wie sich der Kapitalismus in einer Krise
     verhielt. Sie waren zwar zu den unterschiedlichsten Schlussfolgerungen über Ursachen und mögliche Gegenmaßnahmen gekommen.
     Doch die Tatsache, dass ihre Namen wieder mit Respekt genannt wurden, war ein Zeichen, dass ein Paradigmenwechsel im Gange
     war. Wirtschaftswissenschaftler, die lange Jahre das Hohelied der Deregulierung, der Effizienz des Marktes und der Vorzüge
     der neuen Finanzprodukte gesungen hatten, schienen überholt im Vergleich mit diesen Querdenkern. Doch wer waren sie und was
     können wir von ihnen lernen?

|59| Kapitel 2
Krisenökonomie
    Auf die Frage, warum es zu Wirtschaftskrisen kommt, geben Wirtschaftswissenschaftler die unterschiedlichsten Antworten. Die
     einen erklären, es handele sich um eine logische Konsequenz von staatlichen Eingriffen in den Markt. Andere sind der Auffassung,
     es komme zu Krisen, weil der Staat nicht entschieden genug eingreife. Wieder andere leugnen, dass es so etwas wie Spekulationsblasen
     überhaupt gibt: Der Markt sei vollkommen effizient, und wenn sich die Immobilienpreise innerhalb von wenigen Jahren verdoppelten
     und verdreifachten, nur um schließlich einzubrechen, reagiere der Markt lediglich auf »neue Informationen«.
    Die Antworten auf die Frage, welche Maßnahmen man im Falle einer Krise ergreifen sollte, fallen mindestens ebenso widersprüchlich
     aus. Einige Wirtschaftswissenschaftler meinen, der Staat müsse aktiv werden, als letztinstanzlicher Kreditgeber einspringen
     und mit massiven finanziellen Anreizen den privaten Verbrauch ankurbeln. Andere halten diese Position für lachhaft und erklären,
     der Staat dürfe auf gar keinen Fall in den Markt eingreifen, da er auf diese Weise nur die Nachwehen der Krise in die Länge
     ziehe und gefährliche Schuldenberge anhäufe. Und eine dritte Gruppe behauptet, ohne die Miene zu verziehen, die Krise sei
     nichts als eine Illusion und ein Märchen. Es werde von denjenigen verbreitet, die nicht glaubten, dass der Markt in der Lage
     sei, Güter und Ressourcen effizient zu verteilen.
    |60| Für Laien mag diese Diskussion verwirrend klingen. Schließlich erhebt die Volkswirtschaftslehre doch den Anspruch, eine Wissenschaft
     mit mathematischen Gleichungen, Gesetzen, Modellen und anderen scheinbar objektiven Instrumenten zu sein. Doch hinter der
     Fassade der objektiven Wahrheit schlummert eine erstaunliche Vielfalt von widersprüchlichen Meinungen, vor allem wenn es um
     das knifflige Thema Finanzkrise geht. Das war im 19. und 20. Jahrhundert nicht anders als heute.
    Es wäre jedoch ein Fehler, diese Meinungsverschiedenheiten als obskure wissenschaftliche Debatten abzutun. Diese Auseinandersetzungen
     haben die Reaktionen auf die gegenwärtige Krise geprägt und die Politik der Notenbanken sowie die

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